Das knallrosa Tagebuch: Das knallrosa Tagebuch
verrückt spielen. Er sagt, es ist kein Wunder, daß ich durcheinander bin. Bei halbwüchsigen Jungen ist es ganz normal, da# sie sich zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlen. Der Trick ist, diesen Gefühlen nicht nachzugeben. »Die richtigen Entscheidungen« zu fällen. Er sagt, es wird sich wieder legen.
Ich habe mir sein Gelaber angehört und mir gewünscht, es wäre wirklich so leicht. Doch das ist es nicht. Es ist nicht, als ob man bei McDonald's reinspaziert und sich zwischen einem Viertelpfünder und einem Big Mag entscheiden muß. (»Schauen wir mal. Ich hatte gestern einen Mann, also probiere ich heute mal eine Frau.«) Die Entscheidung ähnelt eher der, ob man lieber essen oder verhungern möchte.
Reverend Silk hat dauernd von meinem »Problem« gesprochen. »Ich kann dir bei deinem Problem helfen«, sagte er. Zuerst wußte ich nicht, was er meinte. Meine Familie? Oder daß ich mich so leer fühle, daß ich nie wieder lachen kann? Aber Reverend Silk hat keinen Schimmer von meiner Familie. Und mein Ruf interessiert ihn einen Dreck. Doch er glaubt alles über »ES« zu wissen. Okay. Wenn es ihn glücklich macht.
Ich habe mich bei Reverend Silk bedankt. Ich war höflich. Er verdient es. Er ist ja so nett. Er hat gesagt, er wird heute abend für mich beten. Mir ist das Kotzen gekommen. Ich habe mich verabschiedet und mich schnell verdrückt. Ich wußte, daß ich nie wieder mit ihm sprechen werde. Ich kann mir nicht vorstellen, wie er mich heilen will. Ist mir auch egal.
18. Mai
Als ich heute vor dem Sport in die Umkleide kam, bin ich plötzlich mit dem Gesicht gegen einen Spind geknallt. Und dann lag ich auf einmal auf dem Boden. Ich wollte aufstehen und habe Blut in meinem Mund geschmeckt. Les Numer und Kuprekski haben gelacht. Ich habe in ihre Richtung geschaut und eine Faust ins Gesicht gekriegt. Habe gewartet daß jemand mir hilft. Keiner da. Ich war allein mit ihnen. Ich bin nicht hochgekommen, weil ich jedesmal einen Tritt gekriegt habe. »Schwuchtel! Schwuchtel! Schwuchtel!« haben sie dauernd gebrüllt. Dann wurde es still.
Mr. Nolier kam rein und fragte, was zum Teufel hier los ist. Als er sah, daß ich Blut spucke, hat er mich in die Dusche gebracht. Er sagte, ich soll mich waschen. Ich brauchte heute nicht mitzuturnen. Er hat mich gefragt, wer es war, und ich antwortete, daß ich keine Ahnung habe. Offenbar hat Mr. Nolier der Klasse erzählt, was passiert ist. Denn während ich in der Dusche war, hat Ralph den Kopf reingesteckt und mich gefragt, ob er mir was besorgen kann. »Einen neuen Körper«, habe ich gesagt.
Er hat sein Gesicht so schnell zurückgezogen, daß ich seine Reaktion nicht sehen konnte.
Bin heute abend mit zugeschwollenen Augen und verbeultem Gesicht heimgekommen und sofort in mein Zimmer gegangen. Wollte weder Mama noch Oma noch sonst jemandem gegenübertreten.
19. Mai
Scheußliches Frühstück. Als ich mit meinem verbeultem Gesicht an den Tisch kam, sind Oma und Mama ausgeflippt. Jeff ist nur dagesessen wie eine Statue. Mama fragte, was passiert ist. Zuerst wollte ich lügen, aber die Wahrheit kam mir irgendwie sinnvoller vor. Außerdem wäre eine Lüge zwecklos gewesen. Dazu sieht mein Gesicht zu schlimm aus. Das konnte ich nur erklären, indem ich die Wahrheit sagte.
Mama ist stinksauer geworden, nicht auf mich, wie ich erwartet hatte. Sondern auf Les und Kuprekski. Sie wollte Duff anrufen, doch ich habe gesagt, sie soll das lassen. Oma hat zum erstenmal im Leben den Mund gehalten. Ich hoffte, sie würde sagen, daß Gott Les und Kuprekski geradewegs in die Hölle schicken wird, aber sie schwieg. Sie hat nur auf ihre Kaffeetasse gestarrt und wortlos die Lippen bewegt. Jeff hat seine Cornflakes gegessen und keinen Ton gesagt, inzwischen hat Mama den Telefonhörer abgehoben und wieder aufgelegt. Dann holte sie tief Luft, wählte eine Nummer und sagte: »Hallo, Mr. Numer«. Ich habe eine Sekunde gebraucht, bis mir klar wurde, daß sie mit Les' Vater redet. Ich wäre am liebsten im Erdboden versunken. Mama hat Mr. Numer erzählt, was passiert ist, und ihn gefragt, was er jetzt unternehmen will. Mr. Numer antwortete, daß Jungs eben Jungs sind, und Mama meinte: »Nicht, wenn es um meinen Sohn geht.«
Darüber hat Mr. Numer furchtbar gelacht. Während seine Stimme aus dem Hörer dröhnte, habe ich Mamas Augen altern sehen. Jedesmal, wenn Mr. Numer Luft geholt hat, ist sie bestimmt zehn Jahre älter geworden.
Am liebsten hätte ich mich umgebracht. Und Mama auch. Weil sie uns das
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