Das knallrosa Tagebuch: Das knallrosa Tagebuch
hat.
Ich habe mir das angehört und versucht, es zu verstehen. Mir kommt es total konfus vor. Papa gibt sich die Schuld. Oma gibt Aaron die Schuld. Mama gibt mir die Schuld. Aber das Komische ist, daß niemand schuld hat.
21:30
Jeff ist wieder da. Wahrscheinlich war er bei Marsha, und sie hat ihn überredet, nach Hause zu gehen. Er hat ein blaues Auge. Als ich ihn fragte, wie er dazu gekommen ist, meinte er, ich soll mich zum Teufel scheren. Er hat gesagt, er wird nicht mehr für mich eintreten. Wenn mich nächstens wieder jemand Schwuchtel nennt, wird er demjenigen einen Orden verleihen, weil es »die Wahrheit« ist. Er sah aus, als würde er mir am liebsten eine Kleben.
»Wie bist du so geworden?« hat er mich gefragt. Ich sagte, daß ich keine Ahnung habe. Dann hat er mich so übel beschimpft wie ich es noch nie erlebt habe, und gesagt, ich soll mich verpissen. Ich antwortete, daß ich Zimmerarrest habe. Er schnaubte abfällig. Dann wollte er seinen Schlafanzug anziehen, doch er hat mittendrin aufgehört, ist schnell ins Bad und hat mir die Tür vor der Hase zugeknallt. Ich glaube, er schläft heute auf dem Sofa, ich habe ihn nicht mehr gesehen, seit er rausgegangen ist.
23:09
Gerade ist es mir eingefallen. Morgen muß ich Aaron gegenübertreten. Was wird passieren? Wie wird er sich verhalten? Was werde ich tun? Haßt er mich jetzt? Ich bin mir nicht sicher, was ich für ihn empfinde. In den letzten drei Tagen habe ich mir große Mühe gegeben, nicht an ihn zu denken. Und wenn ich doch an ihn denke, sehe ich jedesmal den furchtbaren Ausdruck auf seinem Gesicht, als wir in Duffs Büro waren. Als ob er am liebsten gestorben wäre. Das macht mir angst.
15. Mai
»Aaron wohnt jetzt bei seinem Onkel«, hat Mrs. Silver mir heute gesagt. Ich konnte es nicht fassen. Ich bin wie angewurzelt dagestanden und habe ihr beim Ausräumen von Aarons Spind zugeschaut. Als ich die Sprache wiederfand, fragte ich sie, wie es Aaron geht. Wann kommt er zurück? Aber sie wollte nicht mit mir sprechen. Sie hat mir nicht mal verraten, wo Aarons Onkel wohnt, sondern nur ständig auf die Uhr geschaut und alles in eine Tasche gepackt. Nachdem sie alles verstaut hatte und Aarons Spind leer war, hat sie mich angeschaut. »Ich bin entsetzt über euch beide«, sagte sie. »Für alles gibt es die richtige Zeit und den richtigen Ort. Ihr habt euch die falsche Zeit und den falschen Ort ausgesucht.«
Als sie die Tasche mit Aarons Sachen nahm, hätte ich am liebsten geweint. Geschrien. Wäre gestorben. Von ihr hätte ich nie erwartet, daß sie sich so verhält. Wahrscheinlich sind manche Leute nur so lange liberal, wie es ihnen nicht ans Eingemachte geht. Dann kommen sie drauf wie Timmy Will.
Heute bin ich durch die Schule gelaufen wie ein Zombie. Habe gar nicht mitgekriegt, ob mich jemand anstarrt oder nicht. Ich habe ein paarmal »Schwuchtel« gehört, aber nicht gewußt, ob sie damit mich meinten oder sich aus Jux gegenseitig so genannt haben. War mir auch egal. Die Lehrer hätten genausogut Selbstgespräche führen können. Die alte Sängerin legte mir die Hand auf die Schulter, aber die anderen waren Fremde. habe mich nicht zum Mittagessen getraut. Bin zum Lager gegangen. Abgeschlossen. Habe mich die ganze Pause lang im Klo in eine Kabine eingesperrt. Am Nachmittag haben mich ein paar Leute angesprochen,
Ich glaube, Ralph und Lesly. Ich habe nicht mitgekriegt, was sie sagten. Habe mich taub gestellt, damit sie mich in Ruhe lassen. Daheim bin ich den ganzen Tag und die ganze Nacht neben dem Telefon gesessen. Ich habe gehofft, daß Aaron anruft und mir erzählt, was los ist. Aber das Telefon hat kein einziges Mal geklingelt.
16. Mai
An der Wohnung ist eine Stimmung wie auf dem Friedhof. Habe es nicht über mich gebracht, rauszugehen und anderen Leuten gegenüberzutreten. Es war schon schwer genug, überhaupt aus dem Bett aufzustehen. Mama, Papa und Oma sehen mich haßerfüllt an, als würden sie nicht damit klarkommen, daß ich dieselbe Luft atme wie sie. Jeff würdigt mich keines Blickes.
Ist mir egal. Ich vermisse Aaron. Ganz schrecklich.
17. Mai
Hatte heute mein Gespräch mit Reverend Silk. Es war sehr merkwürdig. Er war so nett zu mir wie immer. Ich hatte gehofft, daß er sauer ist und mich anbrüllt, damit ich einen Grund habe, auch sauer zu werden und zurückzubrüllen. Aber er ist ruhig geblieben, also konnte ich mich auch nicht aufführen. Er hat von der Verwirrung in der Pubertät gesprochen, und darüber, daß meine Hormone jetzt
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