Das knallrosa Tagebuch: Das knallrosa Tagebuch
ein paar Jahren erinnert. Zum zwölften Geburtstag habe ich mir eine Digitaluhr gewünscht. Aber Mama sagte, daß wir uns so was nicht leisten können, und damit war das Thema erledigt. Mein Geburtstag kam, und ich habe die Digitaluhrgekriegt. Ich habe nie darüber nachgedacht, wie Mama und Papa es angestellt haben, sie zu kaufen. Ich glaube, ich habe mich nicht mal bedankt. Ich habe sie einfach umgelegt, als ob es eine Selbstverständlichkeit wäre.
Je länger ich mir das überlege, desto schlimmer wird mein schlechtes Gewissen. Ich frage mich, wie oft sie ein Opfer für mich gebracht haben, ohne daß ich etwas davon ahnte. Warum haben sie es mir nicht gesagt? Besser, ich denke gar nicht mehr darüber nach. Aber es geht mir ständig im Kopf rum. War ein scheußlicher nachmittag.
25. Juli
Heute war Familientag, und Peters Eitern sind gekommen. Die drei haben aufeinander eingeredet, als hätten sie sich ein Jahr lang nicht gesehen. Ich weiß, daß sie nur fünfzig Kilometer entfernt von Camp Sunshine wohnen, doch sie benahmen sich, als wären es mindestens hundertfünfzig. Als Peters Vater fragte, wie er sich hier fühlt, meinte er: »Spitze.« Er hat seinen Ärger mit Vinnie gar nicht erwähnt.
Peters Eltern sind sehr nett. Sie erinnern mich an die Eltern aus »Drei Jungen und drei Mädchen«. Sie sind sogar ähnlich angezogen. Seine Mutter hatte einen komischen Hosenanzug mit schlabberigen Hosen an, sein Vater ein geblümtes Hemd, das aussah, als hätte jemand draufgekotzt. Peter hat mir heute abend erzählt, daß sein Vater es ablehnt, neue Kleider zu kaufen. Also ziehen sie an, was es gerade bei der Heilsarmee gibt. Weil Peter das mit solchem Stolz sagte, habe ich nicht darüber gelacht.
Am Abend bei der Show haben wir unser Lied gesungen. Es war ein großer Erfolg. Alle haben stehend applaudiert, und Peters Eltern klatschten am lautesten. Die Jungs von der Ahorn-Hütte haben sich etwas echt Ekliges für die Talentshow ausgedacht. In ihrem Lied ging es darum, wie wichtig es ist, sich zweimal täglich die Zähne zu putzen. Beim Singen haben die fünf eine Zahnbürste rumgereicht und sich abwechselnd damit die Zähne gebürstet. Ich hätte kotzen können. Anscheinend fühlt sich Vinnie bei diesen Typen wohl. Schön für ihn.
26. Juli
Heute nachmittag in der Freizeit haben Peter, Trip und ich einen Spaziergang im Wald gemacht. Wir sangen »Get A Job« und lachten. Wir waren immer noch gut drauf, wegen der Show gestern abend. Je mehr wir üben, desto besser klingen unsere Stimmen zusammen.
Als wir auf eine Lichtung kamen, hat Trip die Kopfhörer aufgesetzt und sich ausgeblendet. Peter und ich haben uns unterhalten. Peter legte sich ins Moos und schaute zum Himmel. Weil es so bequem aussah, habe ich das auch gemacht. Peter sagt, er geht gerne allein spazieren und denkt nach. Es war ganz still. Ich habe versucht, Gott zu hören, doch ich habe nur die Vögel singen hören. Dann sagte Peter etwas, das mir in den Ohren geklingelt hat.
»Erzähl mir von Aaron.«
Ich wußte zuerst nicht, was ich sagen soll. Ich dachte, daß Peter Aaron schon längst vergessen hat. Ich wollte mir gerade eine Lüge ausdenken, als Peters nächste Frage kam. Mir ist fast die Luft weggeblieben.
»Hast du es schon mal mit ihr gemacht?«
»Ja«, antwortete ich und versuchte, dabei nicht zu angeberisch auszusehen. Was Peter nicht weiß, macht ihn nicht heiß.
Peter schwieg lange. Ich hatte schon Angst, er hätte mich durchschaut, aber wie sich herausstellte, dachte er an etwas anderes. Er sagte, daß er seit einiger Zeit »Gefühle« für jemanden empfindet. Ich wollte ihn schon fragen, für wen, doch er kam mir zuvor. Simon.
Mir ist fast die Luft weggeblieben. Ich hatte vermutet, daß Peter schwul ist. Aber verliebt in Simon? Ich kann mir nicht vorstellen, daß sich überhaupt jemand in Simon verliebt. Er ist so ein richtiger Strebertyp. Und seine Figur habe ich mir auch noch nie so genau angesehen. Peter sagt, er beobachtet Simon gern im Schlaf. Er sagt, am liebsten würde er den Kopf auf seine Brust legen. Wenn ich Simon schlafen sehe, würde ich ihn am liebsten mit einem Kissen ersticken. Über Geschmack läßt sich eben nicht streiten.
Peter drohte mir, er würde nie mehr ein Wort mit mir sprechen, wenn ich es jemandem erzähle. Ich habe es versprochen. Dann sagte er, daß er einfach über seine Gefühle für Simon reden mußte, weil er sonst verrückt wird. Er wüßte, daß ich es nicht überall herumposaunen würde. Also ist er das
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