Das knallrosa Tagebuch: Das knallrosa Tagebuch
war stolz.
31. Juli
Vinnie wird wieder in unsere Hütte verlegt. Das haben wir heute nachmittag beim Baseball mit den Leuten aus den anderen Hütten erfahren. Vinnie hat es uns erzählt und dabei die ganze Zeit gegrinst wie ein braver, kleiner Engel. Ich tat, als ob ich mich freue, aber mir ist ganz schlecht geworden. Ich lief zu Simon und fragte ihn, ob das stimmt. »Ja«, sagte er. Vinnie hat sich gut benommen und darf als Belohnung zurück zu uns.
Geil ...
Fast hätte ich Simon verraten, was Vinnie im Schilde führt. Aber dann habe ich doch den Mund gehalten. Letzte Macht hatte ich einen Alptraum: Vinnie hat sich von hinten an Peter angeschlichen und ihn mit einem Baseballschläger auf den Kopf geschlagen. Ich habe mich gezwungen aufzuwachen, bevor er mit dem Baseballschläger auf mich losging. Doch ich konnte Simon ja schlecht von meinem Traum erzählen. Ich bin zur Hütte zurückgerannt und habe unser Plakat abgenommen. Ich hatte Angst, daß Vinnie es sofort zerreißt, wenn er die Strichmännchen sieht, die einen Kreis bilden. Ich faltete das Plakat zusammen und legte es sicherheitshalber in meinen Spind.
1. August
Heute ist Vinnie wieder bei uns eingezogen. Er tat sehr freundlich. Trip begrüßte er mit Handschlag, und mir zwinkerte er zu. Dann schaute er Peter an und fragte: »Wie geht es dir, Kumpel?«
Peter hat nicht geantwortet.
Simon tauchte auf und hat uns allen einen Vortrag über Toleranz gehalten. Wir müßten lernen, miteinander auszukommen. Vinnie hat großartig geschauspielert, genickt und ganz ernst geguckt, als ob es ihn wirklich interessiert, was Simon sagt. Zum erstenmal war ich froh, daß Simon sich immer an die Regeln hält. Hoffentlich ist er in der Nähe, wenn Vinnie ausflippt. Heute fühle ich mich wirklich scheußlich. So als würde ich etwas sehen, das ich nicht sehen will. Wie damals, wenn Papa vom Saufen nach Hause kam.
2. August
Pia hat uns von der Show erzählt, die wir am Ende des Ferienlagers veranstalten. Sie heißt das »Sunshine Spectacle«. Jede Hütte muß etwas vorführen. Sie möchte, daß wir wieder ein Lied einüben. Ich sagte: »Vielleicht.« Peter sah nicht so aus, als ob er große Lust dazu hätte. Er ist den ganzen Tag in der Hütte rumgehangen und traute sich anscheinend nicht, etwas zu sagen. Es ist, als würde er nur darauf warten, daß die Bombe platzt. Wenn Mrs. Silver heute seine Seele zeichnen würde, würde sie aussehen wie ein großes schwarzes Loch.
Vinnie tat, als wäre alles in Butter. Er und Trip haben mit Pia eine Wanderung im Waid gemacht. Fast wäre ich mitgegangen, doch dann fiel mir ein, wie Fies Vinnie zu Peter gewesen ist, und ich bin dageblieben. Ich habe den Nachmittag mit Peter in der Hütte verbracht, Er war so deprimiert. Ich habe versucht, ihn aufzuheitern, und meinte, daß Vinnie sich offenbar geändert hat. »Leute wie Vinnie ändern sich nicht«; sagte Peter. Sie spielen nur gut Theater.«
Als Vinnie zurückkam fragte er Peter, wie es uns »Turteltäubchen« geht. Ich lachte und tat, als ob ich es lustig finde. Zu meiner Erleichterung hat Vinnie mitgelacht und mich nicht verarscht. Peter ist aufgestanden und rausgerannt. Er hat gesagt, er geht spazieren.
3. August
Heute nachmittag hat Vinnie mich gefragt, ob ich mit ihm rudern will. Ich habe »ja« gesagt, weil er nicht denken soll, daß ich ständig nur mit Peter rum hänge. Außerdem ist er so wenigstens beschäftigt und hat keine Zeit, in der Hütte rumzuhängen und Peter zu piesacken.
Mitten auf dem See fing Vinnie an, mir von seinem Vater zu erzählen. Vor ein paar Monaten ist er aus dem Knast gekommen. Er hat wegen schwerer Körperverletzung gesessen. Ich erfuhr, daß er Vinnies Mutter geschlagen hat. Vinnie hat er früher mit brennenden Zigaretten beworfen. Vinnie zeigte mir die Brandmale auf seinen Schultern. Sie sehen fast aus wie Sommersprossen. Große Sommersprossen. Vinnies Vater versucht gerade, sich das Saufen abzugewöhnen, und Vinnies Mutter lebt von der Sozialhilfe. Sie hat sich scheiden lassen, als Vinnies Vater im Gefängnis war. Vinnie hat seine Mutter seit über einem Jahr nicht gesehen. Im Augenblick wohnt er bei Pflegeeltern. Wenn er wieder in Boston ist, zieht er zurück zu seiner Mutter.
Plötzlich fiel mir auf, wieviel in unseren Familien ähnlich gelaufen ist. Nur mit dem Unterschied, daß es in meiner Familie auch Liebe gegeben hat. Manchmal gibt es sie sogar heute noch. In Vinnies Familie gab es nie Liebe, Nur Tränen und brennende Zigaretten. Und ich habe
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