Das knallrosa Tagebuch: Das knallrosa Tagebuch
mal eine.«
Doch Peter hat einen Mucks gemacht. Ganz leise. Es war ein Satz. »Ich habe letzte Woche ein Mädchen gevögelt«, sagte er. Ich glaube, Vinnie hat ihn gar nicht gehört. Peter schaute zu mir hoch und flehte: »Sag du es ihm, Ben.«
Vinnie brüllte, er soll das Maul halten, sonst bringt er ihn um. Mir ist die Sprache weggeblieben. Aber die Stimme hat weiter in meinen Ohren geklingelt: »Verhindere es! Verhindere es! VERHINDERE ES!!!« Ich habe mich scheußlich gefühlt. Ich wußte nicht was mich mehr abgestoßen hat: Daß Vinnie von mir verlangt hat, ich soll Peter das antun. Oder daß Peter glaubte, beweisen zu müssen, daß er mit einem Mädchen geschlafen hat. Ich wollte einfach nur weg.
Ich habe den Besenstiel fallengelassen und bin vor Vinnie zurückgewichen. Ich hatte Angst vor ihm. »nimm das Scheißding und ramm es ihm rein«, sagte er. »Das macht ihm doch Spaß. Los!«
Vor lauter Wut und Begeisterung ist ihm der Rotz aus der Nase gelaufen. Ich spürte, wie er mir wieder den Besenstiel in die Hand drückte. Dann sah ich Vinnies Grinsen und begriff, daß ich dieses Grinsen schon einmal gesehen habe. Bei Les Numer. Bei Kuprekski. Bei Kimby. Bei Timmy Will.
Die Stimme hat von meinem Gehirn Besitz ergriffen und mir gesagt, was ich tun soll. Ich habe mit dem Besenstiel mitten in dieses grinsende Gesicht geschlagen. Immer wieder und wieder. Auf einmal war das Grinsen weg. Vinnie ist hingefallen. Ich habe die Augen zugemacht und noch mal ausgeholt. Und noch mal. Und noch mal. Jeder Schlag war für jemand anderen. Einer für Peter. Einer für Pia. Einer für Denise. Einer für Aaron.
Und der Rest war für mich.
Als ich wieder die Augen aufmachte, war Vinnie weg und ich schlug auf einen Stein ein. Peter hat sich aufgesetzt, seine Hose hochgezogen und sich das Gesicht abgewischt. Er schaute zu Boden und sagte: »Danke«. Dann fing er an zu weinen. Plötzlich schaute er mich kurz an und fragte: »Warum?« ich wußte nicht, was er meinte. Er hätte ganz verschiedene Dinge meinen können. »Ich weiß nicht«, antwortete ich. Und dann habe ich auch geweint. Ich war wütend auf die ganze Welt, aber besonders auf mich selbst. Weil ich es soweit habe kommen lassen. Weil ich so ein Feigling gewesen bin. Weil ich mir eingeredet habe, daß das, was mit Peter passiert, nicht mein Problem ist.
Peter konnte nicht allein zum Lager zurückgehen, denn er ist immer wieder hingefallen, wenn er aufstehen wollte. «Schwindlig«, sagte er.
Also habe ich ihn getragen. Ich war überrascht, wie leicht er ist, wie ein Kissen. Als wir im Lager waren, kamen die Leute gerade aus dem »Sunshine Spectacle«. Fünfzig Jungen haben uns beide angestarrt und mich gefragt, was los ist. Ich sagte, daß Peter sofort in die Krankenstation muß. Aber sie sind einfach nur rumgestanden. Onkel Lloyd, Simon und Pia waren nirgends zu sehen. Es war so still, daß ich die Typen aus der Ahorn-Hütte tuscheln und kichern hörte. Aber auch sie trauten sich nicht, laut zu reden. Inzwischen wurde Peter ziemlich schwer. Ich hatte schon Angst, ich könnte ihn nicht mehr halten. Anscheinend haben das ein paar andere auch gemerkt, denn ein Junge aus der Birken-Hütte ist mir zur Hilfe gekommen. Dann noch einer aus der Ulmen-Hütte. Und auf dem Weg zur Krankenstation war plötzlich noch einer aus der Pinien-Hütte da. Wir vier waren ein richtiges Team. Ich weiß nicht, wie sie heißen (ich hatte mir den ganzen Sommer nicht die Mühe gemacht, sie nach ihren Namen zu fragen). Doch ich hatte das Gefühl, daß wir uns schon immer gekannt haben.
Die anderen Jungen haben uns den Weg freigemacht. Sie haben uns zwar nicht geholfen, uns aber auch nicht behindert. Ich glaube, sie hätten uns auch gar nicht aufhalten können. Wir hätten Peter auch durch feindliche Linien getragen. In der Krankenstation haben wir Peter auf ein Bett gesetzt und einander angeschaut. Da wußte ich, daß wir uns wirklich unser Leben lang gekannt hatten, obwohl wir nicht unterschiedlicher hätten aussehen können. Einer der Jungen war schwarz, der andere sah irgendwie chinesisch aus, und der dritte war klein und pummelig. Aber sie waren wie ich. Und ich war wie sie.
Dann kamen Onkel Lloyd und die Krankenschwester und haben uns mit Fragen überhäuft. Die Schwester schrie, wir sollen verschwinden. Onkel Lloyd wollte mich abfangen, um rauszukriegen, was passiert ist, aber ich bin ihm entwischt und ...
Hoppla! Eben ist Simon reingekommen und hat gesagt, daß Peter eine Gehirnerschütterung hat.
Weitere Kostenlose Bücher