Das knallrosa Tagebuch: Das knallrosa Tagebuch
neuen Körper«.
Da ich dachte, daß er das als Witz meinte, habe ich losgeprustet. Erst nach einer Minute fiel mir auf, daß Ralph keine Miene verzog, und ich hörte auf zu lachen. Wir hatten etwa zehn Verben konjugiert, als seine Mutter reinkam und mich fragte, ob sie mich nach Hause fahren soll. Ralph behauptete zwar, daß er sich gut fühlt, aber sie hat ihm nicht geglaubt. Dann hat Ralph mich angeschaut und gemeint: »Danke, Ben.« »Keine Ursache«, habe ich geantwortet und mich schnell verdrückt. Ich gebe es nur ungern zu, doch ich war froh, aus diesem Zimmer rauszukommen.
Auf der ganzen Heimfahrt redeten Ralphs Mutter und ich kein Wort. Mir tat das leid,.denn ich mußte dauernd daran denken, wie Ralph gesagt hatte: »Einen neuen Körper.« Es machte mich furchtbar traurig.
22. November
Ich HASSE den Dreikilometerlauf. Es ist ein Alptraum. Zwanzig Runden um die Bahn. Heute abend habe ich es zum erstenmal probiert. Die ersten vier Runden klappte es wunderbar, aber dann habe ich angefangen schlappzumachen. In der zehnten Runde ist mir fast die Luft weggeblieben, und ich überlegte, ob ich das Handtuch werfen soll. Aber ich wollte Miles nicht enttäuschen. In der fünfzehnten Runde fing ich an, doppelt zu sehen, und fühlte mich, als ob ich gleich sterben müßte. In der letzten Runde hatte ich wahrscheinlich schon Halluzinationen. Ich kann mich an nichts mehr erinnern, außer, daß ich über die Ziellinie schwebte und versuchte, wieder regelmäßig zu atmen. Das einzig Schöne an der Sache war, daß Miles danach zu mir »Gut gemacht« gesagt hat. Ich konnte ihn nicht nach meiner Zeit fragen, denn dabei hätte ich ihm bestimmt vor die Füße gekotzt.
Mag will, daß ich die Leichtathletik hinschmeiße, aber ich werde dabeibleiben. Ich sage ihr, daß es mich abrundet. Mag meint, wenn ich mich abrunden will, soll ich mir einen Hund anschaffen und Shakespeare lesen. Ha ...
23. November
Jetzt flippt Mama aus. Als ich heute vom Leichtathletik-Training heimkam, hatte sie sich in ihr Zimmer eingeschlossen und ist auch während des Abendessens dringeblieben. Oma hämmerte an ihre Tür, doch Mama behauptete, daß alles in Ordnung ist. Um acht ist sie rausgekommen. Sie hatte eine neue Dauerwelle, zentimeterdick Schminke auf dem Gesicht und ihr bestes Kleid an. Wir alle haben sie angestarrt. Sie sah ziemlich hübsch aus. Als Oma sie fragte, ob sie mit Chuck ausgeht hat sie »nein« gesagt. Dann ist sie summend zum vorderen Fenster gegangen. Sie hat sich auf den Stuhl am Fenster gesetzt und rausgeschaut als ob sie auf etwas wartet. Oma, Jeff und ich haben einander angeguckt und dann wieder ferngesehen. Es war echt seltsam.
Um zehn hat Oma den Fernseher ausgemacht und Jeff und mich ins Bett geschickt. Sie fragte Mama, ob sie für etwas sie tun kann. Mama hat nur den Kopf geschüttelt und weiter auf die Texaco-Reklame vor dem Fenster gestarrt, als ab sie sich davon die Lösung ihrer Probleme erhoffte. Oma ist reingekommen und meinte zu Jeff und mir, wir sollen heute abend für Mama beten.
Gerade war ich im Wohnzimmer. Mama sitzt immer noch am Fenster und schaut raus. Mur daß die Texaco-Reklame jetzt abgeschaltet ist und Mama in die Dunkelheit starrt. Sie hat eine Entscheidung gefällt.
24. November
Heute in Englisch hat Mrs. King uns mit einer Spontanprüfung beglückt. Die einzige Frage lautete: »Wofür bist du am meisten dankbar und warum?« Weil ich heute in kreativer Stimmung war, habe ich geschrieben: »Ich bin dankbar, daß die Gänse diesen Winter nicht vergessen haben, in den Süden zu fliegen, denn es ist zu weit zum Laufen und billiger als mit dem Bus.« Ich dachte, das törnt sie bestimmt an.
Wofür soll ich denn dankbar sein? Ich habe einen Säufer als Vater, eine Verrückte als Mutter, einen geistigen Vorgartenzwerg als Bruder und eine Großmutter, die dem religösen Wahn verfallen ist. Wir leben in einer Wohnung über einer Tankstelle. Nicht gerade die amerikanische Musterfamilie.
Es muß doch noch etwas anderes im Leben geben. Wenn ich mir vorstelle, daß ich in zehn Jahren vielleicht immer noch hier bin, wird mir angst und bange. Manche Leute bleiben ihr Leben lang in Tranten Township. Sie kommen nie über die Staatsgrenze hinaus. Einige nicht einmal über die Grenzen des Landkreises. Ich muß einen Weg finden, hier wegzukommen.
Eigentlich sind nur Mag und Miles ein Grund, dankbar zu sein, M&M. schmilzt im Mund, nicht in der Hand.
25. November
Wieder mal Thanksgiving. Oma hat Chuck eingeladen, ohne Mama
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