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Das Knistern in den Sternen: Roman (German Edition)

Das Knistern in den Sternen: Roman (German Edition)

Titel: Das Knistern in den Sternen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jón Kalman Stefánsson
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Mal ansieht, wenn sie in die Stube tritt. Ihre Augen leuchten dunkel unter der hellen Stirn. Doch sie behandelt ihn, als wäre er nichts weiter als jemand, der Waren liefert, freundlich, aber nicht anders als die anderen, höflich lächelt sie in seine bohrenden Augen. Zwei der Matrosen möchten ein Lied zum Besten geben. Noch nie haben sie zu Harmoniumbegleitung gesungen. Sie singen gut, ihre Stimmen kommen von ganz tief unten aus der Brust. Der Regen prasselt auf das Haus ein. »Ihr bleibt doch wohl zum Essen«, sagt Urgroßmutter, und Urgroßvater ruft: »Selbstverständlich! Was denn sonst?« Die Matrosen blicken ihren Kapitän aufmunternd an. Jon heißt er, einen unbedeutenderen Namen kann man gar nicht haben. »Der Fisch schwimmt uns davon, und meine Mütze ist wieder trocken«, sagt dieser Jon. Dann überlegt er sich die Sache noch mal. »Hast du nicht deine Buddel bei dir, Asi?«, fragt er. »Vielleicht sollten wir sie mal rumgehen lassen, und dann fahren wir.« Einer der
    Seeleute, es muss dieser Asi sein, geht und holt einen großen Flachmann. Er hatte ihn in seinen Stiefel gesteckt, nachdem sie das Haus betreten hatten. Er wollte sich wohl nicht damit sehen lassen. Selbstgebrannter ist darin, ein richtiger Rachenputzer. Sie setzen sich zu Tisch, Urgroßvater lehnt den Schnaps dankend ab, bittet aber den Maschinisten, ihm die Funktionsweise der Maschine zu erklären, und andere, Seemannsgarn zum Besten zu geben. Derweil hält sich Urgroßmutter in der Küche auf, kocht mehr Kaffee und schneidet Fleisch auf. »Sie brauchen doch was im Magen bei dem ganzen Schnaps«, sagt sie. Er steht plötzlich im Türrahmen, hält eine Tasse in der Hand, die leicht zu zittern scheint, aber das täuscht vielleicht. Alle anderen sind jedenfalls in der Stube, die Kinder weichen den Gästen nicht von der Seite, und der, der den Namen Jon trägt, tritt allein in die Küche. Niemand sieht oder hört sie, jetzt kann er alles sagen. Er sieht sie an, betrachtet sie und nimmt sie mit seinen Atemzügen in sich auf. Sie blickt auf und lächelt – kameradschaftlich. Schneidet dann weiter Fleisch in kleine Stücke. Er stellt sich neben sie und öffnet den Mund, schließt ihn aber wieder. Er heißt Jon und hat sonst alles vergessen, bis auf diesen unbedeutenden Namen, und darum sagt er genau das: »Ich heiße Jon.« Dann stellt er die Tasse ab. Sie schneidet Fleisch und fordert ihn auf, sich noch mehr Kaffee zu nehmen, er brauche ihr keine Gesellschaft zu leisten, das sei übertriebene Höflichkeit. »Setz dich zu den anderen«, sagt sie und fügt die vernichtende Bemerkung hinzu: »Du hast sowieso nichts hier in der Küche verloren.« Seine Arme sinken schwer herab. Sie ist mit dem Fleisch fertig. »Mein Name ist Jon«, wiederholt er. »Nein, Töbielk«, murmelt sie. Es ist März.

Ein abseits stehendes Haus
    Mit einem schweren Seufzer kommt das Land unter dem dunklen Winter hervor. Für einige Tage gaukelt das Wetter Frühling vor, es ist trocken und fünfzehn Grad warm. Seit dem Besuch der Bootsbesatzung hält es Urgroßvater kaum noch im Haus. Um das Vieh mag er sich nicht kümmern, also sattelt er den Rappen. Dieses Teufelsbiest besteht nur aus Energie und Temperament; wenn es gezwungen wird, still zu stehen, bebt es vor kaum zu bändigender Kraft. Urgroßvater schwingt sich in den Sattel, gibt ihm leicht die Fersen, und schon will es mit einem glücklichen Reiter auf dem Rücken davonschießen. »Man muss doch seine Nachbarn kennen lernen«, ruft Urgroßvater seiner Frau zu, »und das Land.«
    Er sitzt auf dem Rappen und versucht dessen schäumenden Eifer zu zügeln. »Bist du mir böse?«, fragt er. »Ruhig«, sagt er, als das Pferd unter ihm zittert. »Bist du mir böse?«, wiederholt er unsicher, als sie keine Antwort gibt. Sie haben sich am Morgen gestritten. Er hatte sich über die Gegend ausgelassen und den Kopf darüber geschüttelt, wie viele Stagnation entweder als Naturgesetz ansähen oder als aus Gottes Rippen geschnitzt. Er hatte sich vorstellen können, für einen Sitz im Gemeinderat zu kandidieren, wollte doch gern von Nutzen sein. Sie aber hatte ihm daraufhin vorgeworfen, er habe jegliches Interesse an Haus und Hof, ja, an dem gesamten Projekt verloren und würde sich einen Dreck um seine großartigen Ankündigungen vom letzten Sommer scheren. Das war am Morgen. Jetzt ist Mittag, und sie hat seit zwei Stunden kein Wort mehr gesagt. Daraufhin sattelte er den Rappen. Urgroßmutter kam aus dem Haus und sah zu ihm auf,

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