Das Knistern in den Sternen: Roman (German Edition)
den Scheitel und geht nach unten. Sie möchte sich eine Pfeife stopfen, rauchen und aus dem Fenster schauen, lässt es aber lieber, denn der Tabakduft könnte nach oben steigen und Urgroßvater wecken. Tabak ist einer seiner größten Genüsse, und also kann man nie wissen.
Daher begnügt sie sich damit, aus dem Fenster zu gucken. Einige Wolken treiben am Himmel, und die hellsten Sterne sind nach der ununterbrochenen Helle der letzten Monate zurückgekehrt.
Habe ich von einer »halbdunklen Augustnacht« gesprochen?
Das ist eine ungenaue und vielleicht nicht ganz zutreffende Beschreibung. Urgroßmutter blickt nach draußen, und als sich die Augen daran gewöhnt haben, erkennt sie, dass es eine dieser körnigen hellen Nächte ist, die alles außer Kraft setzen. Du siehst fast genauso weit wie am Tage, aber Dinge, die in der Ferne liegen, können eigentümliche Formen annehmen. Nur weniges ist tatsächlich so, wie es aussieht, und in solchen Nächten werden Gespenster geboren. Urgroßmutter also blickt nach draußen und genießt es, sich von dem Dämmerlicht täuschen zu lassen, das Bekanntes in Geheimnisvolles verwandelt. Sie blickt hinaus und sieht das Boot. Es treibt kaum hundert Meter vom Ufer entfernt. Sie kneift die Augen zusammen, um Einzelheiten besser erkennen zu können, beispielsweise die Gesichtszüge desjenigen, der im Boot steht und zu ihrem Haus herüberspäht. Sie holt Luft, und das Boot scheint sich im Rhythmus ihres Atems zu heben und zu senken. Dann verschwinden die Sterne hinter Wolken, der Himmel ebenfalls. Es wird eine Spur dunkler. Sie steht auf und holt Licht, eine Kerze, die sie anzündet und ins Fenster stellt. Man muss sich doch einsam fühlen, wenn man so allein an Deck eines Motorboots steht und ein Haus beobachtet, dessen Fenster alle dunkel von Schlaf sind. Jetzt kann er das Licht betrachten, dabei an die Hände denken, die es entzündeten, und vielleicht sogar eine Bewegung hinter diesem Licht wahrnehmen, einen Schemen von Leben sehen oder fühlen. Sie aber sieht jetzt nur noch ihr eigenes Spiegelbild in der Scheibe, ihr langes Haar, das ihr über die Schultern und den hellen Morgenrock fließt, und dunkel starrende Augen. Sie tritt an das nächste Fenster, und als sich ihre Augen erneut an die Nacht gewöhnt haben, sieht sie ein Licht auf dem Boot und sie erkennt eine Bewegung an Bord. Die Kerze brennt herab. Die Nacht vergeht.
Sie hören die Eiszapfen wachsen
»Danke für das Licht«, sagt er. Es ist an einem klaren Herbsttag unten am Ufer. Das Boot ist mit einer neuen Lieferung gekommen, Urgroßmutter und die Kinder nehmen die Besatzung mit Kaffee und Gebäck in Empfang, Urgroßvater hält sich oben im Haus auf.
»Danke für das Licht«, sagt der Kapitän.
»Nichts zu danken«, antwortet Urgroßmutter. »Ich dachte nur, es müsste doch einsam sein, auf ein schlafendes Haus zu gucken. Hast du mich erkannt?«
»Eine Bewegung habe ich gesehen, und Umrisse. Ich weiß nicht, ob ich in jener Nacht mehr hätte aushalten können«, sagt er und versucht zu lächeln.
»Ach, du bist doch so jung und stark. Du hättest mehr ausgehalten. Eine Menge mehr.«
Es ist Herbst, der Gletscher zieht die Dunkelheit an, dann kommt der Winter. Genügend Vorräte in der kühlen Vorratskammer, eingesalzenes Lammfleisch, Trockenfisch, manchmal geht Urgroßvater der eine oder andere Fang ins Netz.
»Was ist das denn?«, hatte einer der Seeleute gefragt, als er die Leine unter dem Boot hervorkommen sah. Die jüngeren Geschwister hatten ihn dazu gebracht, das Boot für sie umzudrehen.
»Mein Mann hat Angst vor dem Meer«, sagt Urgroßmutter. »Und was hat das Tau damit zu tun?«
Als sie darauf keine Antwort gibt, schaut er sich die Leine genauer an, schätzt ihre Länge, schüttelt dann den Kopf und brummt: »So was habe ich mein Lebtag noch nicht gesehen!«
»Dann freu dich darüber«, meint der Kapitän, »denn du fährst reicher von hier fort, als du hergekommen bist. Und weiter kein Wort darüber!« Zu Urgroßmutter: »Es ist besser, das Netz hier vor der Landzunge auszuwerfen« – er blickt zu dem schmalen Streifen hinüber, der etwa fünfzig Meter ins Meer vorspringt. »Da fällt der Grund steil ab, und da sollte man ganz gut fischen können. Selbst wenn man nicht weiter als diese eine Kabellänge rausfährt.«
»Verachtest du ihn für seine Feigheit?«
»Nein, fällt mir nicht ein. Das ist die originellste Fangmethode, von der ich je gehört habe.«
Urgroßvater beherzigt den Rat,
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