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Das Knochenhaus

Das Knochenhaus

Titel: Das Knochenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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weit in die Zukunft erstreckte – wie eine strahlende Silberschnur. Das Ende dieser Schnur war nicht zu erkennen. In der ungestalteten Dunkelheit der weit entfernten Zukunft kann es nicht erblickt werden.« Er lächelte. »Ich glaube, dies verheißt ein langes und bedeutsames Leben für das Kind, das bald im Land der Lebenden erscheinen wird.«
    Arthur drückte die Hand seiner Frau. »Das Kind wird lebend geboren werden«, sagte er; seine Worte waren mehr eine Frage, die um Bestätigung bat, als eine Aussage.
    »Die Geburt wird mit Erfolg gesegnet sein, und das hieraus hervorgehende Kind wird gedeihen«, versicherte ihnen der König in einem Tonfall, der keinen Platz für Zweifel zuließ. »Ich, Turms der Unsterbliche, habe dies gesehen.«
    »Ich danke dir, o König«, wisperte Xian-Li. Die Tränen begannen zu fließen, als die Furcht, die Xian-Li in den letzten Wochen fest umklammert gehalten hatte, sie aus ihrem unerbittlichen Griff freigab. »Ich danke dir.«
    »Ich habe noch etwas gesehen«, fuhr Turms fort. »Nach diesem Kind wird dein Mutterleib verschlossen sein. Du wirst keine weiteren Kinder mehr haben.«
    Arthur warf einen Blick auf seine Frau, um zu sehen, wie sie diesen Schlag aufnehmen würde; doch ihr Lächeln änderte sich nicht. »Ich verstehe«, murmelte sie und ließ ihre Hand auf ihrem Bauch ruhen. »Umso mehr werde ich dieses lieben und schätzen.«
    Die Zeremonie ging nun auf ihr Ende zu, doch Xian-Li erinnerte sich kaum noch an das, was nach der Verkündung geschah. In jener Nacht schlief sie so gut wie noch nie zuvor – soweit sie sich entsinnen konnte –, und stand am nächsten Morgen in vollkommenem Frieden mit sich auf. Die anderen im Haus waren noch nicht wach, als sie nach draußen schlich. Ungesehen spazierte sie den Pfad zum Tempel hinunter; und dort kniete sie nieder und sagte Dank für das Leben ihres ungeborenen Kindes, als die ersten Strahlen der Sonne die Tempelstufen berührten.
***
    Jetzt, als die ersten Geburtsschmerzen sie überfielen, entsann sich Xian-Li der Gelassenheit jenes heiligen Augenblicks. Ihr Herz erhob sich, und sie drückte eine Hand auf ihren angeschwollenen Bauch. Bald schon – noch bevor ein weiterer Tag heraufdämmern würde – würde sie ihr Kindlein in den Armen halten können. Als der nächste Schmerzensschauer sie überfiel, streckte sie ihren Arm zu ihrem schlafenden Ehemann aus und legte ihre Hand auf seine Schulter. Sie schüttelte ihn nicht, sondern ließ ihn durch die Wärme ihres Körpers sanft aufwachen.
    »Es ist Zeit«, sagte sie, als er seinen Kopf vom Kissen neben ihr erhob.
    Mit einem Ruck setzte er sich auf. »Jetzt?«
    Sie lächelte. »Bald. Ein kleine Weile noch. Leg dich neben mich hin.« Er ließ seinen Kopf wieder aufs Kissen sinken und schloss die Augen. Auch sie schloss die Lider und erinnerte sich an jenen Tag ein paar Wochen nach der Zeremonie, als Turms bei einem Abendessen aus gebratenen Wachteln und Grüngemüse verkündet hatte: »Es würde mich erfreuen, wenn das Kind hier im königlichen Palast zur Welt käme.« Bevor Arthur oder sie darauf etwas erwidern konnten, hatte der König rasch hinzugefügt: »Es ist schon eine lange Zeit her, seitdem dieses Haus zuletzt den Schrei eines Babys gehört hat. Ich würde es als eine Ehre betrachten, wenn ihr dieser Bitte zustimmt.«
    »Nach all dem, was du für uns getan hast, würde ich mich geehrt fühlen«, hatte sie geantwortet und dabei die Wörter seiner Sprache benutzt – es war das erste Mal gewesen, dass sie selbst direkt zu ihm gesprochen hatte. Dies überraschte und erfreute ihren edlen Gastgeber. »Wir nehmen das Angebot an.«
    »Sie hat fleißig gelernt«, merkte ihr Mann an.
    »Ich bin beeindruckt«, erklärte der König.
    »Du hast schon so viel für uns getan«, sagte Arthur. »Wir stehen in deiner Schuld.«
    »Wie können Freunde jemals in der Schuld des anderen stehen?«
    Und so hatte Xian-Li den letzten Teil ihrer Schwangerschaft an dem besten Ort verbracht, den sie sich vorstellen konnte: Sie schwelgte in der Sonne und Wärme, genoss das Essen, die Gesellschaft und all die anderen Annehmlichkeiten des Palastes. Wäre sie die Herrscherin eines Landes gewesen, hätte man sie nicht königlicher behandeln können. Und das Wissen, dass sie von einem lebenden Kind entbunden würde, ließ sie all das noch viel mehr wertschätzen. Die letzten Wochen waren vorbeigegangen, und jetzt war es Zeit für das Kind, geboren zu werden. Sie war bereit.
    Als sie später am Tage in den

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