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Das Knochenhaus

Das Knochenhaus

Titel: Das Knochenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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ihrer Arbeit müssen Sie ein paar Theorien haben.«
    »Oh, die habe ich«, versicherte ihm Thomas mit einem Lachen. »Bei meiner Nebenbeschäftigung als Wissenschaftler gibt es keinen Mangel an Theorien. Tatsächlich ist es das einzige Gut, das wir in bewundernswertem Überfluss besitzen.«
    »Also, was ist Ihre Theorie über die Erbauung von Grabmälern?«
    »Es ist alles ein Bestandteil der sehr klaren und einfachen Tatsache, dass wir unsterblich sind.«
    »Ich fühle mich aber nicht allzu unsterblich«, offenbarte Kit, der eine leichte Verunsicherung empfand angesichts der Wendung, die das Gespräch genommen hatte.
    »Aber Sie sind es – und ich ebenso!«, verkündete Thomas. »Alle Menschen sind aufgrund der Tatsache, dass sie in diese Welt hineingeboren worden sind, unsterbliche Wesen. Natürlich nicht unsere materiellen Körper. Sie sind leider ziemlich zerbrechlich, weil sie an die Gesetze der Materie und Zeit gebunden sind. Die Seele jedoch ist unzerstörbar. Sie unterliegt völlig anderen Gesetzen.«
    Thomas Young richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Weg und setzte den Spaziergang zum Restaurant fort. Kit folgte ihm.
    »Haben Sie einen Platz, wo Sie bleiben können?«, erkundigte sich Thomas.
    »Eigentlich nicht.«
    »Dann werden Sie mein Gast sein.« Er warf einen Blick auf Kit. »Es sei denn, Sie haben irgendwelche Einwände.«
    »Keinesfalls«, erwiderte Kit. »Danke.« Er schaute auf die Hotelfassade, die sich über den Palmen erhob. »Sie haben hier Räume?«
    »Mein lieber Freund, ich bin nichts weiter als ein einfacher Londoner Arzt«, tadelte ihn Thomas sanft. »Ich kann es mir nicht leisten, in einer so luxuriösen Unterkunft zu wohnen. Außerdem konveniert es nicht zu meiner Arbeit. Stattdessen habe ich eine Dahabija .«
    »Wie bitte?«
    Thomas kicherte. »Es handelt sich um eine Art Segelschiff. Sie werden solche Gefährte bestimmt schon auf dem Fluss gesehen haben. Da es bald dunkel ist, schlage ich vor, dass wir jetzt dahin gehen, wenn Sie nichts dagegen haben.«
    »Gehen Sie vor, Doktor.«
    Sie stiegen die Treppe hoch, durchquerten die Hotel-Lobby und gingen hinaus auf die Straße, wo drei einsame, von Mulis gezogene Kutschen auf Passagiere warteten. Thomas rief einem der Fahrer ein paar Worte zu; und anschließend bestiegen die beiden Männer die Kutsche. Bald schon fuhren sie, begleitet von viel Hufgeklapper, auf der Straße, die entlang des Flusses verlief. Die Sonne stand nun sehr niedrig; sie verlieh dem dunstigen Himmel einen warmen golden-orangenen Farbton und ließ den Nil wie geschmolzene Bronze glitzern. Sie fuhren durch einen Markt – ein Chaos aus Läden, von denen keiner größer als eine Besenkammer war. Es gab dünne Buden, die aus Tuch und Palmwedeln errichtet waren und die, soweit Kit dies sehen konnte, von Bastfäden zusammengehalten wurden, und Straßenverkäufer, deren Ladenplatz bloß aus einem handbreit großen Lappen bestand, den sie auf dem Boden ausgebreitet hatten, um ihre kümmerlichen Waren zu präsentieren.
    Das Gedränge und Durcheinander der Menschen war beängstigend, die Kakophonie der Stimmen erschreckend. Die Kutsche kam nur noch im Schneckentempo voran. Thomas erwarb eine Tasche mit Datteln von einem der Verkäufer und von einem anderen Zwiebeln. Während dieser Käufe hielt die Kutsche nicht an, sondern quetschte sich durch die wogende Menge aus Kleinhändlern und Kunden in einem Tempo, das langsamer als normales Gehen war.
    Youngs Boot lag ein kleines Stück weiter stromabwärts am Ufer vertäut, weg vom lärmenden Zentrum der Stadt. Sobald die Kutsche das Gewühl hinter sich gelassen hatte, rollte sie schnell entlang einer Reihe großer, sehr kunstvoll verzierter Gebäude im Kolonialstil, in denen Büros der Regierungsverwaltung untergebracht waren.
    »Es ist keine bloße Zeitreise«, sagte Kit wie zu sich selbst; er wiederholte Worte, die Cosimo ihm gesagt hatte. Warum war es so schwierig, das nicht außer Acht zu lassen? »Eine Ley-Reise ist nicht das Gleiche wie eine Zeitreise. Wir müssen uns das stets vor Augen halten – oder ich zumindest.«
    »Sie haben natürlich recht«, pflichtete Thomas ihm bei.
    »Was Sie gesagt haben über das Tot-und Begraben-Sein, dass alles wertlos sei und so weiter – das ist nicht unbedingt wahr.«
    »Ich vermute nicht. Vergeben Sie mir; ich habe nicht sehr klar nachgedacht und in Eile gesprochen.«
    »Sie hatten recht mit der Äußerung, dass die Zeit aus den Fugen geraten sei. Die verschiedenen Welten

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