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Das Koenigreich der Luefte

Das Koenigreich der Luefte

Titel: Das Koenigreich der Luefte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Hunt
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müde den Kopf. »Ich vermute, dass es dieses Jahr früh zu Neuwahlen kommen wird.«
    Die zwei Sondergardisten am Ende des Saales schlugen die Hacken zusammen, als die Türen aufgestoßen wurden; der Windstoß aus dem Korridor Heß ihre roten Mäntel aufwirbeln und brachte die Papiere des Beamten auf dem Tisch durcheinander. Es war ein Weltensänger – einer der neuen Auszubildenden. Wie hieß er noch? Blundy.
    »Hauptmann«, sagte der Weltensänger. »Ich habe eine dringende Nachricht zu übermitteln.«
    Flare sah den Greenhall-Mann an. »Wenn Sie mich bitte entschuldigen würden – offenbar gibt es abgesehen von den Volksbelustigungen doch noch andere Dinge, um die sich die Sondergarde kümmern muss.«
    »Ich bin sicher, dass der Bericht des Gentlemans vom Orden auch für Greenhall von Interesse sein wird«, erklärte der Beamte.
    »Es ist dringend, Hauptmann«, sagte der Weltensänger und kam zum Tisch herüber.
    »Nun schön, heraus damit«, sagte Flare.
    »Es geht um den König, Hauptmann.«
    »Alpheus?«, fragte Flare.
    »Nein, um den alten König, um Julius. Man hatte mir die Aufgabe zugeteilt, seine Leiche zum Bestatter in die königlichen Aufzuchtstätten zu bringen. Die Präparatoren im Staatsmuseum wollten nicht, dass noch einmal so etwas passiert wie damals nach dem Tod von Königin Marina.«
    Der Greenhall-Mann nickte zustimmend. Die Leiche von Julius’ Vorgängerin war von einer aufgebrachten Menschenmenge abgefangen und in den Gambleflowers geworfen worden, wo sie dann der Gezeitenstrom erfasst und ins Meer hinausgetragen hatte. Und so hatte es keine Leiche zum Ausstopfen und Ausstellen gegeben.
    »Sie haben mein volles Mitgefühl«, erklärte Flare. »Aber ich bin sicher, dass man mit ein bisschen Rosenwasser gut gegen den Geruch ankommt.«
    »Sie verstehen nicht. Ich war allein mit seiner Leiche. Ich hatte Langeweile und war neugierig – und ich lerne doch immer noch für meine zweite Blüte.«
    »Führt diese Unterhaltung irgendwohin, mein Sohn?«, erkundigte sich Flare.
    »Ich dachte, ich könnte mich an einer Gedankenberührung versuchen. Erinnerungen halten manchmal noch Tage nach dem Tod – und etwas Übung schadet ja nie.«
    »Sie haben am Leichnam des Königs geübt?«, fragte der Beamte. »Das ist ja ekelhaft. Grundgütiger Zirkel, werden solche Sachen von Ihren Vorgesetzten abgesegnet?«
    »Nein«, sagte der Auszubildende mit Schamesröte auf den Wangen. »Sie würden es nicht gutheißen, wenn sie davon wüssten. Aber es ist ja eine Übung – und ich weiß jetzt, wie der König starb.«
    »Das ist ja auch kaum ein Geheimnis. Niemand erholt sich je von der Wassermannkrankheit.«
    »Nun, es war eine Erinnerung übrig – nur eine. Wahrscheinlich war sie stark genug, damit sie eine Woche hielt. Prinz Alpheus erstickte seinen Vater mit einem Kissen. Das Gefühl des Betrogenwerdens und Entsetzens war so stark, dass ich es immer noch spüren kann.«
    »Alpheus hat seinen eigenen Vater umgebracht?«, fragte der Greenhall-Mann. »Wo ihn die Wassermannkrankheit doch sowieso bald erledigt hätte?«
    »Ich weiß, das macht keinen Sinn«, sagte der Weltensänger. »Aber die letzte Erinnerung war so stark. Unmöglich, dass ich sie falsch interpretiere. Der Schmerz in seiner Seele war schrecklich.«
    »Das ändert gar nichts«, erklärte Flare. »Denken wir an die ausgelassenen Feiern, die Umzüge, den Aufruhr, wenn die Leute ihr Schauspiel nicht zu sehen bekommen. Die Krönung muss wie geplant vonstattengehen.«
    »Das ändert alles«, widersprach der Beamte. »Ganz gleich, welches Blut wir dem königlichen Ungeziefer für die Paarung auswählen, es gelingt doch einfach nicht, die Gemeinheit aus ihnen herauszuzüchten. Es gibt genug Kandidaten in den Aufzuchtstätten, die wir für die Thronfolge bestimmen können – und die Leute werden ebenso gern dabei zusehen, wie der kleine mordlüsterne Drecksack vor dem Bonegate- Gefängnis an den Galgen kommt, als wenn man ihm am Parliament Square die Krone aufsetzt. Dieser gehässige Abschaum hat sich schon in alter Zeit gern gegenseitig umgebracht. Offenbar schlägt unser kleiner Prinz ganz nach seinen Vorfahren. Aber was ist das für eine Gelegenheit für uns, Hauptmann. Denken Sie doch nur. Wir erinnern den ganzen Staat mit einer schönen Hinrichtung an die moralische Größe unserer Regierung – und die Leute bekommen in der Woche der Feierlichkeiten dennoch ihren neuen König.«
    Mit einem Satz griff Flare nach dem Beamten und drehte ihm den Hals um,

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