Das Koenigreich der Luefte
Wachleute, die für einen der Sun-Gate-Türme arbeiteten. Als sie jedoch einen vorsichtigen Blick über den Eisencontainer warf, entdeckte Molly, dass die beiden sich getrennt hatten und nach einem sorgfältigen Muster an den wenigen Reisenden vorüberschlichen und dabei die ganze Halle absuchten. So unschuldig waren sie also nicht.
Sie schob sich über den Rand des eisernen Abfallbehälters und rutschte zwischen ein paar Müllsäcke. Der Kopf des Dampfmanns fuhr herum, um sie zu betrachten. »Ho, kleiner Weichkörper. Was machst du da in meiner Sammlung Krimskrams?«
»Sei leise mit deinem Sprachrohr«, bat Molly. »Zwei Männer suchen nach mir. Sie wollen mir etwas Böses.«
Eine eiserne Augenklappe blinzelte überrascht über das Sichtglas des Dampfmanns. »Etwas Böses, sagst du? Das darf nicht sein.«
»Sie werden mich fertigmachen, wenn du nicht leise bist.«
Der Dampfmann senkte die Lautstärke der Sprechvorrichtung zu einem Flüstern. »Ich glaube, du bist mir bekannt, kleiner Weichkörper.«
»Nicht aus diesem Leben«, erwiderte Molly. »Es gab keine Dampfmänner im Armenhaus von Sun Gate.«
Der Dampfmann bewegte nun seine acht Stummelbeine, denen ein Rad ganz vorn die Richtung vorgab, und schob sie durch den Bahnhof. »Wir Metallleute lassen unsere Brüder nicht im Armenhaus zurück, das ist nicht unsere Art.«
»Ich muss in die Unterstadt. Kannst du mich in die Atmosfährbahn hinunterbringen?«
»In der Unterstadt ist man einem großen Maß körperlicher Gefahren ausgesetzt«, sagte der Dampfmann. »Die Gesetze des Gemeinwohls werden dort nicht eingehalten.«
»Ich weiß, dass es eine Gesellschaft der Geächteten ist«, zischte Molly. »Aber ich habe keine andere Fluchtmöglichkeit mehr.«
»Kriech unter meine Säcke«, befahl der Dampfmann. »Deine Verfolger kommen näher.«
Molly verbarg sich unter den Müllsäcken und ließ sich nur einen winzig kleinen Spalt zum Atmen. Sie hörte eine ruppige Stimme, die einen Reisenden fragte, ob er eine Ausreißerin gesehen habe. Natürlich erwähnte der brutale Kerl nichts davon, wovor Molly denn eigentlich ausgerissen war. Dann wurde die Stimme leiser, und das Tapp, Tapp, Tapp der Beine des Dampfmanns auf dem Boden der Wartehalle war bald das einzige Geräusch, das sie hörte.
Molly drehte ihr Gesicht, bis sie ein wenig aus dem Müllcontainer hinaussehen konnte; das Metallgitter einer Tür verschwand in einem Spalt in der Decke, und sie betraten einen verrußten Aufzug, der groß genug war, um einem großen Dampfmann Platz zu bieten.
»Stahlbhalah-Waldo hat über dich gewacht. Jene, die dir Böses wollten, sind zurückgeblieben.«
Aha, Stahlbhalah-Waldo, dachte Molly. Ihr Retter sprach von der Religion des Gang-gi-ju. Die Dampfmänner verehrten ihre Ahnen sowie ein Pantheon von Maschinengeistern, denen sie erstklassigen Kesselkoks und Brennöl aus ihren eigenen Ventilen und Schaltgetrieben opferten.
Molly kroch unter den aufgestapelten Säcken hervor. »Danke für deine Hilfe, alter Dampfer. Ich glaube, du hast mir gerade das Leben gerettet.«
»Mein bekannter Name ist Schleichrad«, sagte der Dampfmann. »Du darfst mich bei meinem bekannten Namen nennen.«
Molly nickte. Schleichrads echter Name würde eine geheiligte Seriennummer sein, die nur ihm und dem Herrscher des Maschinenvolks, König Dampf, bekannt war. Es kam ihr nicht zu, diesen Namen zu wissen. Der alte Aufzug begann zu vibrieren, als er langsam nach unten fuhr.
»Kannst du mir den Weg in die Unterstadt zeigen, Schleichrad? Den Weg nach Grimhope?«
»Der Weg ist dem Metallvolk bekannt, junger Weichkörper. Aber es ist ein Pfad voller Gefahren. Es widerstrebt mir, dich einem solchen Risiko auszusetzen.«
»Das überirdische Middlesteel ist für mich zu gefährlich geworden, Schleichrad. Man hat mir einen professionellen Meuchler auf den Hals gehetzt, und viele meiner Freunde sind gestorben, nur weil ich in der Nähe war. Es gibt nicht mehr viele Orte, an die ich fliehen kann. Daher riskiere ich das unterirdische Middlesteel.«
»So jung«, brummte die alte Maschine. »Weshalb wünschen die herrenlosen Krieger deines Volkes deine Zerstörung?«
»Ich weiß es nicht«, seufzte Molly. »Ich nehme an, es hat etwas mit meiner Familie zu tun. Wahrscheinlich versucht jemand aus meiner Verwandtschaft, mir meine Erbrechte auf die einfache Art zu verweigern, indem er mich nämlich ganz aus dem Weg räumt.«
»Dass jene, die biologische Eigenschaften mit dir teilen, sich derart verhalten,
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