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Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Titel: Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Hunt
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denen Fässer mit unverzolltem Brandy und Nuschelkraut an die verschwiegenen Großhändler weitergereicht werden konnten.
    Der junge Tom schien überzeugt, dass sie schon allein deswegen von Rotröcken entdeckt werden würden, weil sie sich in der Nähe des Fluchwalls befanden. Seit der gescheiterten Invasion waren die Infanterieregimenter der Grenztruppen auf ganzer Länge der jackalianischen Grenze aufgestockt worden, von Hundred Locks im Norden bis zum Freistaat der Dampfmänner im Süden. Aber die Zitterwarner, die von den Pionieren der Rotröcke in die Erde gegraben worden waren, sollten eher die Tunnelbauer aufspüren, die sich unter dem Fluchwall hindurchgraben wollten, nicht die wenigen Schmuggler, die dem ältesten Gewerbe der Küste nachgingen. Dennoch war es gefährlich, den Jungen dabei zu haben. Von der ganzen Ladung, die man an Bord der Pip Sissy von Quatérshift nach Jackals geschmuggelt hatte, enthielt Toms Sack die lukrativste Ware in dieser
kalten Nacht. Der Junge trat wegen des frostigen Wetters und der Dunkelheit von einem Fuß auf den anderen. Er wünschte sich ganz offensichtlich ebenfalls, wieder in die Wärme ihres Tauchboots zurückkehren zu können.
    »Wenn heute nicht so viele Zollbeamte unterwegs wären, würde ich dieses Zeug hier anzünden, um mir die Finger dran zu wärmen, egal, ob der Feuerschein riskant wäre«, sagte Tom und schwang den Sack nervös von einer Hand zur anderen.
    Der ältere Schmuggler legte seine Hand drohend auf den Dolch in seinem Gürtel. »Dann wärst du ein Idiot, Tom. Da stünde es auf Messers Schneide, ob dir unser Kunde die Kehle durchschneidet, noch bevor der Skipper dich an den Kommandoturm der Pip Sissy fesselt und mit dir auf dem Weg zurück nach Quatérshift die Krabben füttert.«
    »Wieso sollte uns überhaupt jemand gutes Geld für diesen Unsinn hier bieten, Chivery?« Der Junge zog eine Handvoll vergilbter Pamphlete aus dem Sack und las einige der Titel im Mondlicht vor. »Anordnungen des Ersten Komitees. Die Helden der Kutschenfabrik von Faidéaux  – mahnender Aufruf an die Arbeiterschaft. Die Stimme der Gleichheit: Die Gedanken und Reinheit der Revolution. Es gibt doch niemanden in Jackals, der diesen Revolutionsquatsch hier sammelt, nicht mehr seit dem Krieg.«
    Chivery zündete die Blendlaterne an, die er bei sich hatte, und gab das vereinbarte Signal, dass sie zum Handel
bereit waren. Er nutzte das gebündelte Licht, um das Groschenblättchen zu entrollen, das er sich mitgebracht hatte. Der Northern Monitor: respektable Ansichten, ehrlich und direkt formuliert. Auf der Titelseite prangte eine Zeichnung von Benjamin Carl, der einen Vierstab-Schläger hielt, auf dem die Worte »jackalianische Eiche« eingraviert waren. Vom Holz prallte der Kopf eines der führenden Mitglieder des Ersten Komitees von Quatérshift ab, während die Szenerie von mehreren karikierten Politikern höflich beklatscht wurde. Vom Oppositionsführer Hoggstone ging eine Sprechblase aus, in der stand: »Ihr Spiel, M’lord.«
    Die Schreckensherrschaft war im Nachbarland von Jackals noch voll im Gange. Die Pip Sissy fuhr ihre Schmuggeltour einmal im Monat, und jedes Mal, dass sie an Land gingen, schienen ihre Freunde, Kontaktleute und Kollegen in Quatérshift ausgezehrter und unterernährter zu sein. Die harten Zeiten hatten sie viel zu früh altern lassen – sie hatten eine Säuberungswelle und eine Hungersnot nach der anderen erlebt, und ganze Familien waren aus ihren Dörfern verschleppt und der schnellen, tödlichen Gnade der Gideonskragen überlassen worden, jenen dampfbetriebenen Mordmaschinen, die auf den großen Plätzen aller Städte in Quatérshift standen. Wie Chiverys Zeitung andeutete, bot selbst ein hoher Rang innerhalb des Gemeinwesens keinen Schutz mehr vor dem nervösen Verfolgungswahn der Geheimpolizei oder vor den Launen des Pöbels auf der Straße. Quatérshift war längst keine funktionierende
Republik mehr, sondern ein Hund, der sein eigenes verwundetes, verwesendes Fleisch kaute. Der Schmuggler schüttelte traurig den Kopf. Die Leute brachten sich mit ihren verdammten, idiotischen Leidenschaften in die seltsamsten Klemmen. Wenn sich jemand in Jackals so aufgeführt hätte, wären seine Nachbarn eines Tages bei ihm vorbeigekommen und hätten ihm eine kleine Abreibung verpasst – in der festen Überzeugung, ihm damit etwas Gutes zu tun.
    »Was ist das für ein Geräusch?« Tom sah sich um.
    Ein Pfeifen erklang vom Himmel, und dann stürzte eine

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