Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman
das Männchen dieses Viehs zu töten …«
»Ein männlicher Kilasaurus Max erreicht nur ein Viertel der Größe eines Weibchens«, erklärte Eisenflanke, dessen Schlote Rauch in die Luft spuckten, während sie den Pfad hinuntereilten. »Diese großen Kanonen auf den Mauern von Rapalaw Junction sind nicht für die wilden craynarbischen Stämme gedacht, verstehen Sie? Dreckgas sinkt zu Boden, bevor es überhaupt die Kopfhöhe eines Kilasaurus erreicht.«
»Und Sie haben den Partner dieses Viehs getötet?«
»Ich habe die Jagd geführt«, sagte Eisenflanke. »Ich hätte den Kilasaurus nicht getötet, obwohl er so alt und krank war, ich wusste es besser. Die närrischen Eilblüter, die für meine Dienste zahlten, haben nicht lange genug gelebt, um ihre Entscheidung zu bereuen – ich war der Einzige, der von dieser Safari nach Rapalaw Junction zurückkehrte.«
Kleine Tiere huschten vor ihren Füßen zur Seite und an ihnen vorüber. Der Trampelpfad schien vor entsetzten Dschungelkreaturen zu wimmeln, die vor der wild gewordenen Herrscherin ihres Reiches flohen.
Zwei der Tauchbootmatrosen stürzten sich plötzlich auf Amelia. »Bindet sie an einen Baum – lasst den Jonas hier, soll sie doch den Hunger dieser Bestie stillen. Sie hat das Ungeheuer auf unsere Fährte geführt.«
Amelia trat einen von ihnen ins Gemächt. Der andere kippte vornüber, als sich ein rotierender Stahlbolzen aus seinem gestreiften Hemd bohrte. Veryann lud ihr Gewehr erneut und richtete es auf Bull Kammerlan. »Unser Dampfmann-Kundschafter hat Ihnen den einzigen Befehl gegeben, den Sie zu befolgen haben – weiterlaufen! Ich werde jeden von euch dreckigen Hunden niederschießen, der es wagt, eine meuternde Hand gegen einen Offizier zu erheben.«
Ihre kalten blauen Augen bohrten sich in die der Soldaten, und ob es nun an den catosischen Gewehren lag oder an den Schreien des Kilasaurus, die Matrosen rannten nun um ihr elendes Leben.
Ein dunkler Schatten wurde in der Ferne oberhalb des Blätterdaches sichtbar, und eine krachende Lawine aus umstürzenden Bäumen ertönte, als sich die Donnerechse durch das Dickicht des dunkelsten Liongeli mühte. Sie hatten den Rückweg zur Sprite noch nicht einmal zur Hälfte bewältigt. Amelia lief schneller, der Wasserkarren blieb verlassen hinter ihnen zurück. Es würde nicht genügen, dass sie ihr Wasser geopfert hatten. Sie waren so gut wie tot.
8
E s hieß, dass selbst ein Blinder merkte, wenn er nach Steamside kam, und Cornelius Fortune glaubte das gern. Zwar wurde der Nachthimmel über der Dampfmann-Enklave Middlesteels nicht durch die zahllosen Rauchsäulen unterbrochen, wie sie über den Quartieren ihrer eilblütigen Nachbarn aufstiegen, aber das Metallvolk besaß eigene Schlote, und der Geruch von hochverdichtetem Kesselkoks hüllte Cornelius in seinem Ausguck auf dem Dachfirst ein, auf dem Septimoth mit ihm gelandet war. Es war wie in einem Raucherzimmer, in dem alle anwesenden Gentlemen wie aufs Stichwort zu ihren Nuschelrauchpfeifen gegriffen hätten.
Das Geschöpf, auf das sich Cornelius’ Aufmerksamkeit im Augenblick konzentrierte, stand mitten auf dem Adam Metal Square, wartete still und ruhig im Herzen von Steamside, inmitten eines Netzwerks enger Gässchen, die, solange Middlesteel bestand, noch niemals verbreitert worden waren. Gässchen, die man unberührt gelassen hatte, als König Felix die Straßen der Hauptstadt nach der großen Pest im Jahre 901 ausbauen ließ, und die auch unverändert blieben, als
Isambard Kirkhill sein großes Programm staatlicher Verbesserungsmaßnahmen begann, nachdem der Bürgerkrieg zugunsten des Parlaments entschieden worden war. In Steamside waren keine neuen Straßen gebaut worden, um damit die Gleichmacher vom Barrikadenbau abzuhalten, keine neuen Boulevards, um die arbeitslosen Rüpel zu beschäftigen, die zuvor in den nun aufgelösten Regimentern beider Seiten gedient hatten. Dampfmänner wurden von ihren eigenen Seuchen heimgesucht, und ihre Quartiere zählten zu den regierungstreuesten Bezirken in Middlesteel – das Metallvolk war nicht besonders leicht reizbar und pflegte stets den reichen Erfahrungsschatz seiner langen Lebensjahre zurate zu ziehen.
Der Dampfmann, den Cornelius hier bewachen wollte, war der Besitzer eines besonders langen Gedächtnisses. In jedem anderen Stadtviertel wäre eine solche Aufgabe nicht weiter schwierig gewesen. Er hätte über den Platz schlendern, sich kurz verbergen und dann wieder auftauchen können, jedes
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