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Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Titel: Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Hunt
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Stammkunden es sich offenbar anders überlegt hatte und sein Glück noch einmal versuchen wollte. Die Inneneinrichtung des Schiffes passte zu dem wohlhabenden Eindruck, den Cornelius bereits von der Kleidung seines Opfers gewonnen hatte. Das hier war kein billiges Vergnügen für Hafenarbeiter, Flussschiffer und Gossenkinder. Der enge Laderaum des Kolonieschiffs war ausgeweidet worden, und nun führte eine Treppe zu einem mit rotem Teppich ausgelegten Deck voller Spieltische, verspiegelten Bars und marmornen Tresen. Weitere Stufen führten zu den Pagoden empor. Die durchsichtigen Seidenkleider der beiden Frauen, die an der Treppe warteten, und die eingeölten breiten Brustkästen der Wächter, die hinter den Mädchen standen, ließen keinen Zweifel daran, welche Art von Unterhaltung weiter oben geboten wurde.
    »Stöcke müssen an der Tür überprüft werden, Sir«, sagte einer der Bediensteten des Jinn-Palasts und machte damit deutlich, dass man davon ausging, der Stock eines jeden Gastes berge entgegen der Mode eine rasiermesserscharfe Klinge in seinem Inneren.
    Cornelius machte Platz, da ihm ein Grüppchen lautstarker Hochwohlgeborener folgte; reiche Damen, denen ihre gut gewachsenen Dienstboten auf Schritt und Tritt folgten. »Natürlich.«
    »Wollen Sie es noch einmal am Whisttisch probieren, Sir?«

    Cornelius legte sein Cape und den Stock ab. »Ja. Ich habe das Gefühl, heute doch noch eine Glückssträhne zu bekommen.«
    Er trat auf ein kleines, erhöhtes Podest aus Messing und erhielt von der Garderobiere eine Holzmünze mit einer Nummer. Hinter der Frau lagen, wie ihm auffiel, stapelweise Taschenpistolen, Schulterhalfter, Strumpfbandwaffen und Stockdegen. Die Stammgäste gaben sich in diesem Stadtteil zwar dem verderbten Leben hin, aber sie waren dabei vorsichtig und bestrebt, bei diesen Ausflügen nicht ihre Würde – und schon gar nicht ihr Leben – zu verlieren.
    »Wünschen Sie eine Maske, Sir?«, fragte die Garderobiere und deutete auf eine Reihe samtgefütterter Masken, die an der Seite hingen. »Um Ihre Anonymität zu wahren?«
    Cornelius schüttelte den Kopf. »Ich habe meine eigene heute zu Hause gelassen, und ich denke, ich werde keine andere benötigen.«
    »Wie Sie wünschen, Sir.«
    Eine Treppe tiefer waren die Spieltische von den verschiedensten Vergnügungssuchenden besetzt – einige versteckten sich hinter Masken, andere genossen ganz offensichtlich die verdorbene Atmosphäre dieses Hauses und hofften vermutlich sogar darauf, erkannt zu werden. Cornelius bummelte an den Tischen vorüber, an denen die Glücksräder surrten und Karten umgedreht wurden, und er schlenderte durch die miteinander verbundenen Räume, wobei er in Gedanken einen
Plan der Ruby Belle anlegte und sich die Flure und Türen einprägte, die von den Bediensteten benutzt wurden. Mit einem hohen, schmalen Glas süßen Weins trat er auf das Promenadendeck, ging an Grüppchen lachender Gäste vorbei, die nur an ihre eigenen Freuden dachten. Dann entdeckte er den toten Winkel, nach dem er gesucht hatte, und er setzte sein Glas ab. Mit einem Finger drückte er auf seinen künstlichen Arm, zog eine Metallschnur hervor, wand sie um die Reling und ließ sich daran auf der dem Fluss zugewandten Seite am Schiffsrumpf hinunter. Mit den Stiefeln stieß er sich in weiten Bögen ab, so dass er ruhig an der Fassade des Jinn-Palastes entlangschwang. Schließlich hatte er den Punkt erreicht, wo auf der anderen, dem Hafen zugewandten Seite die Gangway zum Schiff hinaufführte.
    Von seinem Daumen ließ er eine runde Gummiplatte ausfahren, die sich zu einer kleinen Kuppel ausstülpen ließ; ein dünner Kupferdraht führte zurück in seinen Arm. Er hasste es, dieses Ding zu verwenden, diesen mechomantischen Apparat, der ganz offensichtlich unvollkommen nach dem Bauplan eines Dampfmanns geschaffen worden war. Mit großer Willensanstrengung setzte er ihn in Betrieb, und er begann, die Schallwellen innen im Schiff zu verstärken. Die Kristalle in seinem Arm leuchteten auf, als sie die Information über seine Nerven übertrugen, und ein dem Sodbrennen nicht unähnliches Feuer breitete sich in seinem Bauch aus. Aber mit dem Feuer kamen auch Worte – eine männliche Stimme, die sich darüber beklagte, von einer der
Damen zurückgewiesen worden zu sein, die als Croupiers beschäftigt waren. Cornelius nutzte die großen Nieten als Trittsteine und bewegte sich am Bug entlang, und Rost und abblätternde Farbe blieben an ihm hängen, als er die

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