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Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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Eindringling ab. »Das ist mir unangenehm, sehr, sehr unangenehm. Aber könntest du uns für eine Minute allein lassen? Wir gehen ins Wohnzimmer. Da gibt es ein paar Dinge, die wir klären müssen.«
    »Fein«, sagte ich. »Prima.«
    Ich schäumte vor Wut und Neid; also stapfte ich in mein Zimmer, setzte mich aufs Bett und versuchte es mit tiefen Atemzügen. Tausend verschiedene Szenarien erschienen vor meinen Augen, und keines davon machte mich auch nur im Entferntesten zuversichtlich.
    Als ich mich nach ein paar Minuten auch nicht besser fühlte, fügte ich mich ins Unvermeidliche, stand auf, schlich auf Zehenspitzen bis vor die Wohnzimmertür und gab mir alle Mühe zu lauschen.
    Streater klang ruhig und locker, schmeichlerisch und verlogen. Sie hatte sich weniger unter Kontrolle, ihre Stimme hörte sich nach unmittelbar bevorstehender, tränenreicher Hysterie an. Mir fiel plötzlich auf, dass ich sie noch nie so erlebt hatte; auf mich hatte sie immer den Eindruck gemacht, niemals wirklich die Nerven zu verlieren.
     
    Sollten wir Henry Lamb bemitleiden? Der Mann hat etwas so Pathetisches an sich, dass wir uns einfach nicht dazu durchringen können. Die Vorstellung, dass jemand wie seine Zimmerwirtin ihn je auch nur ein zweites Mal ansehen würde, wenn sie nicht gerade unter den Nachwirkungen einer abrupt in die Brüche gegangenen Liaison litte, ist unbestreitbar absurd. Lamb, dieser Idiot, war nie mehr für sie als eine mannsgroße Wärmflasche.
     
    Selbst jetzt bin ich nicht sicher, was zwischen den beiden vorgefallen ist, aber als ich zum ersten Mal etwas von dem Gespräch verstehen konnte, war es seine Stimme, die ich vernahm.
    Dies sind die Worte Joe Streaters: »Da kommt ’ne neue Welt auf uns zu. Und wenn du überleben willst, dann musst du mit mir kommen. Bleib hier – und alles, was du kennst und gern hast, wird verbrennen.«
     
    Ich beugte mich näher hin, um besser zu hören, doch gerade als Streater zu Ende gesprochen hatte, wurde die Tür aufgerissen, und ich stolperte nach hinten wie ein Idiot, wobei ich fast über meine eigenen Füße fiel.
    Abbey stand tränenüberströmt und schwankend in der Tür. »Hast du gelauscht?«
    Ich stotterte irgendein Dementi hervor.
    Hinter ihr – Freund Joe, grinsend wie ein Hai.
    Meine Zimmerwirtin trat auf den Flur und warf die Tür vor Streaters Nase zu. »Ich kann einfach nicht glauben, dass du gelauscht hast!«
    »Würdest du das nicht tun?«
    »Lass uns nur ein paar Minuten, okay? Wir haben eine Menge Dinge zu besprechen.«
    »Kann ich mir lebhaft vorstellen«, sagte ich so gelassen wie möglich.
    »Das alles ist sehr schwer für mich. Ich bin ein wenig durcheinander.«
    »Und was glaubst du, wie ich mich fühle?«
    »Liebling, bitte!«
    Ich entschied mich für ein bitteres Lächeln. »Weißt du, er ist gar nicht so, wie ich ihn mir vorgestellt habe.«
    Auch Abbey zauberte ein kleines Lächeln hervor – ein zögerndes, hoffnungsvolles Lächeln. »Ach nein? Und wieso nicht?«
    »Ich hätte nicht gedacht, dass er so verdammt hässlich sein könnte.«
    Ein langes, sprödes Schweigen. »Das enttäuscht mich.« Aus ihren Augen sprach eine glasklare Sachlichkeit, die ich nie zuvor dort gesehen hatte. »Wie billig von dir.«
    Sie öffnete die Tür zum Wohnzimmer, und ich konnte einen flüchtigen Blick auf Streater werfen – so kurz, dass es eine fast unterschwellige Wahrnehmung war und ich nicht sicher sein kann, ob ich es tatsächlich sah oder mir nur einbilde, es gesehen zu haben, und das Fehlende unbewusst mit alldem ergänze, von dem ich seither Kenntnis erhielt: Aber ich bin überzeugt, da war eine Injektionsspritze in seiner Hand, gefüllt mit einer hellroten, sprudelnden Flüssigkeit.
    Dann warf Abbey die Tür zu, und ich sah nichts mehr.
     
    Sie können sich lebhaft vorstellen, wie es wirklich ablief: Ein hübsches Mädchen, das sich bereits damit abgefunden hat, die Apokalypse in der Gesellschaft eines blutleeren Muttersöhnchens auszusitzen, ist außer sich vor Freude über das Eintreffen einer alten Flamme. Das Kräftemessen ist vorüber, noch ehe es begonnen hat, der Bessere gewinnt, und alles, was bleibt, ist die Suche nach einem Weg, den Untermieter loszuwerden.
     
    Der Rest bestand aus diversen Geräuschen – einer dumpfen Liebeserklärung, einem nassen, schmatzenden Ton, Lustgestöhn, männlichem Gelächter. Und dann schnelle Schritte quer durchs Zimmer, das Schnappen der Klinke, als die Tür aufgerissen wurde – und ich befand mich wieder

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