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Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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wieder da. »Und wie geht es dir?«
    »Gut«, sagte ich und fügte leiser hinzu: »Ich wurde befördert.«
    »Das ist ja wunderbar!«
    »Ich bin nicht mehr in der Registratur.«
    »Wie schön für dich.«
    »Nie wieder Archiv.«
    »Traumhaft, mein Lieber!«
    »Mama?«
    »Ja?«
    »Großvater war doch nicht mehr der Jüngste, als er zur BBC kam, oder? Es war seine zweite Karriere. Was hat er davor gemacht?«
    »Vor der BBC?« Sie gab sich gar keine Mühe, anders als hörbar gelangweilt zu klingen. »Da war er so eine Art Beamter, glaube ich. Nichts Großartiges – obwohl er, weiß Gott, immer so getan hat, als würde seine Pisse besser riechen als unsere. Warum?«
    »Ach, nur so.«
    »Ich muss los, Schätzchen. Gordy hat uns irgendwo einen Tisch bestellt. Er schaut schon ganz ungehalten drein und tippt dauernd auf seine Uhr.«
    »Mama«, sagte ich, »in der letzten Zeit denke ich so oft an Papa.«
    Ewig langes Krachen in der Leitung; das Zischen und Knistern der weiten Entfernung.
    »Tut mir leid, mein Lieber, die Verbindung ist entsetzlich.«
    »Ich sagte, ich denke oft an Papa.«
    »Jetzt muss ich aber sausen, Schatz. Gordy sagt, das Essen ist fabelhaft dort.«
    Sie hatte nicht einmal daran gedacht, dass heute mein Geburtstag war.
    »Lass es dir gut schmecken«, murmelte ich. »Viel Spaß.«
    »Tschüs, Schätzchen.« Und dann, als kleines Eingeständnis, dass ihr sehr wohl bewusst war, was ich gesagt hatte: »Verfall mir nicht ins Grübeln, hörst du?«
    Die Verbindung wurde unterbrochen, ehe ich etwas antworten konnte.
    Ich ging zurück ins Krankenzimmer und setzte für die Schwester ein zerknirschtes Lächeln auf. »Sie hatten recht«, sagte ich, nachdem ich mich ausreichend entschuldigt hatte. »Ich glaube jetzt auch, dass mein Großvater im Krieg war.«
    »So was sieht man gleich«, murmelte sie. Dabei huschte ein Anflug von Menschlichkeit über ihr Gesicht, ein Schatten von Bedauern, bevor ihre Züge wieder starr und professionell wurden und sie davonging.
    Niedergedrückt von unbestimmten Ängsten und Befürchtungen, küsste ich den alten Mann auf die Stirn und nahm Abschied von diesem schrecklichen Mausoleum.
     
    Auf dem langen grauen Korridor, der zum Ausgang führte, klapperte ein rothaariger Mann mühsam auf Krücken vor mir her. Ich erkannte ihn an seinem wippenden karottenfarbigen Schopf.
    »Schönen guten Tag!«
    Er verbog den Hals, um sich zu mir umzudrehen. Sein Gesicht war gerötet und schweißnass von der Anstrengung des Vorwärtskommens. »Ach, Sie sind es.«
    »Die haben Sie aber rasch aus dem Bett gelassen!«
    »Wie’s aussieht, bin ich wieder in Ordnung.«
    »Sie sind vom fünften Stock gefallen!«
    »Bin eben ein Wunder auf zwei Beinen.« Er verzog das Gesicht und deutete mit dem Kinn hinunter auf seine Krücken. »Also, wenigstens ein humpelndes.«
    »Na, jedenfalls bin ich froh, dass Sie es gut überstanden haben.«
    Der Rothaarige sah mich streitlustig an. »Sie kapieren es immer noch nicht, wie?«
    Ich starrte verständnislos zurück. »Was meinen Sie damit?«
    »Die Antwort ist ›ja‹.«
    »Wie bitte?«
    »Die Antwort ist ›ja‹, zum Geier! Haben Sie das verstanden? Die Antwort ist ›ja‹!« Der Fensterputzer holte tief und rasselnd Atem und wandte sich schwungvoll ab.
    »Was soll das bedeuten?«, fragte ich – sowohl ihn als auch mich selbst.
    Doch er beachtete mich nicht mehr, murmelte nur ein Sammelsurium ausgesuchter Kraftausdrücke vor sich hin und kämpfte sich auf unsicheren Beinen hinüber zu einem zerbeulten Rover auf der anderen Seite des Parkplatzes, in dem seine unglückselige Familie wartete und sich vermutlich fragte, warum, um alles in der Welt, er denn nicht ein wenig härter hatte aufschlagen können.
     
    Als ich heim nach Tooting Bec kam, ging ich geradewegs ins Wohnzimmer, wo Abbey saß. Sie hatte ein kleines schwarzes Kleidchen an, war umgeben von Luftballons und grinste verlegen. Eine nicht sehr gelungen wirkende Schokoladentorte stand auf dem Tisch, dekoriert mit einer einzelnen Kerze.
    »Alles Gute zum Geburtstag!«, rief sie.
    »Das ist so unerwartet! Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll!«
    »Setz dich hin. Ich hole dir einen Drink.«
    Sie tänzelte in die Küche, von wo alsbald das Klappern von Gläsern, das Klingeln von Eiswürfeln und das Gluckern von Fruchtsaft und Alkohol zu mir herüberdrang. »Wie war dein Tag?«, rief sie.
    »Etwas eigenartig. Und deiner?«
    »In erster Linie fade. Bis jetzt.«
    »Danke für das alles – du hättest dir

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