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Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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Muttchen will nicht, dass wir trödeln.« Wie ein Zirkusdirektor vor der Präsentation des Glanzstückes seiner Menagerie klatschte er in die Hände, und im Saal wurde es augenblicklich dunkel. »So, Chef. Jetzt heißt es aufpassen und was lernen.«
     
    Es war fast schon zu etwas Vorhersehbarem geworden – die Vergangenheit, die in die Gegenwart heraufschimmerte und vor Arthurs Augen zur Realität verschmolz: Da war seine Urururgroßmutter wieder, hinter ihrem Schreibtisch; da war Mister Dedlock, der Gründer dessen, was laut Mister Streater zum Erzfeind seiner, Arthurs, Familie werden sollte. Und dort marschierten der Engländer, der Ire und der Schotte – das Triumvirat, aus dem die Firma Wholeworm, Quillinane und Killbreath bestand – durch die Flügeltür wie die Spitze einer Bürokratenarmee. Sie brachten jemanden mit, den der Prinz noch nicht gesehen hatte – einen ungelenken halbwüchsigen Jungen mit einem akneübersäten Gesicht und hoffnungslos verfilztem Haar; er verzog den Mund zu einem gerissenen Grinsen.
    Die schon seit Langem dahingegangene Königin entblößte die Zähne zu einem Willkommensgruß. »Ist dies das Kind?«
    Mister Wholeworm, der Engländer, sprach zuerst. »Jawohl, Madam.«
    Der Ire trat vor. »Er befand sich exakt an dem Ort, den Leviathan angegeben hatte.«
    Seltsamerweise schien der Junge in Gegenwart der Monarchin keinerlei Furcht zu haben und ließ sich willig und mit starrer, gleichgültiger Miene vorführen.
    Dedlock, der bislang zur Rechten der Königin gestanden hatte, machte einen Schritt ins Licht. »Weshalb ist der Knabe so still? Warum schreit und weint er nicht?«
    Der Engländer antwortete. »Er wurde von Geburt an dazu erzogen, als auserwähltes Werkzeug für Leviathan zu wirken.«
    Ungeduldig wischte die Königin die Erklärung fort. »Bringt ihn zu mir.«
    Der Junge wurde vorwärtsgeschoben.
    »Meine Herren«, schnurrte Arthurs Urururgroßmutter, »ich finde, dieses Kind sollte vor seiner Königin knien.«
    Der Ire legte dem Jungen eine Hand auf den Scheitel und drückte ihn zu Boden.
    »Gut gemacht«, sagte die Königin. »Und nun geben Sie mir seine Handgelenke.«
    Quillinane nickte. Beinahe liebevoll ergriff er die Hände des Kindes und streckte sie der Monarchin mit den Handflächen nach oben entgegen.
    »Meine Herren, was ich sogleich tun werde, mag vielleicht Ihr Gemüt zutiefst erschüttern, doch möchte ich Ihnen versichern, dass meine Handlungen, wie immer sie Ihnen erscheinen mögen, zum höchsten Ruhm unseres Reiches und für die anhaltende Unversehrtheit unserer Küsten getätigt werden. Beweisen Sie Courage, nehmen Sie alle Kräfte zusammen, unterdrücken Sie Ihre Gefühle. Leviathan hat mich vorgewarnt, dass es dem einen oder anderen unter Ihnen an Nervenstärke oder an Beherztheit für das Unvermeidbare fehlen könnte. Ich hoffe nur, meine Herren, wir sind Manns genug, um den Anblick von Blut ertragen zu können.« Während sie sprach, hatte die Königin unauffällig ein kleines schlankes Messer aus dem Versteck in ihrem linken Ärmel gezupft – ein Taschenspielertrick, der völlig unbemerkt von den Anwesenden stattgefunden hatte, was bedeutete, dass das, was dann geschah, alle völlig unvorbereitet traf. Mit zwei raschen, präzisen Bewegungen setzte das Oberhaupt des britischen Weltreiches Schnitte in die Pulsadern des Kindes. Blut sprudelte hervor.
    »Komm her, Knabe«, sagte sie, ließ das Messerchen fallen, packte die Handgelenke des Kindes und drückte sie. »Und nun blute«, zischte sie. »Blute.«
     
    Später, als Arthur wieder fähig war, Logik und gesunden Menschenverstand anzuwenden, welche ihm angesichts der Schrecknisse im Ballsaal vorübergehend abhandengekommen waren, fiel ihm auf, dass dieser feste Druck auf die Handgelenke des Jungen von Rechts wegen die Blutung hätte stillen sollen: Er hätte den Blutfluss unterbrechen sollen, nicht das Gegenteil davon! Und ganz ohne Zweifel hätte er nicht diesen Sprühregen verursachen dürfen – diese schauerlichen Geysire aus schillerndem Karmesinrot.
     
    Dedlock rannte auf die Königin zu. »Das ist ja ungeheuerlich, Majestät!« Er versuchte, ihr den Jungen zu entwinden, aber entgegen allen Erwartungen erwies sich die Kraft der Königin als zu stark.
    Wholeworm, Quillinane und Killbreath begnügten sich mit ihren Rollen als stumme Zuschauer und tauschten nur gelegentlich nervöse Blicke aus.
    »Ruhe!«, bellte die Königin. »Sie befinden sich alle in Komplizenschaft zu den Vorgängen des

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