Das Königsmal
Binsen und Gras bestreut“, wussten bald auch die Glückstädter zu berichten. Und Seine Majestät erfuhr durch seinen Gesandten von Tillmanns, dass er die deutschen Fürsten einen nach dem anderen aus ihrem Lehenverhältnis zum Kaiser riss. Innerhalb des Reiches befahl er bald über sieben Heere und wohl achtzigtausend Männer.
Mit Spannung erwarteten wir die neuesten Nachrichten, und viele gönnten es den Wienern, dass sie nun in diesen Tagen ihren Herrgott anflehten, er möge sie von der fürchterlichen Rache des Schwedenkönigs verschonen.
So war es wieder Winter geworden, und wir hatten die meiste Zeit des Jahres in Glückstadt verbracht. Meine geliebte Wiebke hatte sich in der Stadt eingerichtet. Wenn der König nach Kopenhagen reisen musste, blieb sie an der Elbe und beaufsichtigte den Eingang der Zölle. Gemeinsam mit dem Stadtgouverneur kontrollierte sie alle Einnahmen und verzeichnete diese gewissenhaft in den königlichen Büchern. Einmal reiste sie von Leibwachen eskortiert nach Kopenhagen, um dem König dringend erwartete Gelder zu überbringen. Sie war die einzige Person, der König Christian in dieser Angelegenheit sein Vertrauen schenkte.
Mit dem Grafen von Pentz verband Wiebke inzwischen eine herzliche Freundschaft. Der Reichsgraf lud sie in sein Palais ein. Dort zeigte er ihr seine kostbare Bibliothek und empfahl ihr dabei die erstaunlichsten Bücher. Eines Abends kam sie mit einem Gedichtband zurück, und die Worte, die sie mir zeigte, beschrieben alles Elend, das über die Welt gekommen war. Nie habe ich sie vergessen können, die „Tränen des Vaterlandes“, und seine Verse trage ich in meinem Herzen:
„Wir sind doch nunmehr ganz, ja mehr denn ganz verheeret!
Der frechen Völker Schar, die rasende Posaun
Das vom Blut fette Schwert, die donnernde Karthaun
Hat aller Schweiss, und Fleiss, und Vorrat aufgezehret.
Die Türme stehn in Glut, die Kirch ist umgekehret,
Das Rathaus liegt im Gras, die Starken sind zerhaun,
Die Jungfern sind geschänd’t, und wo wir hin nur schaun
Ist Feuer, Pest, und Tod, der Herz und Geist durchfähret.
Hier durch die Schanz und Stadt rinnt allzeit frisches Blut.
Dreimal sind schon sechs Jahr, als unser Ströme Flut
Von Leichen fast verstopft, sich langsam fort gedrungen.
Doch schweig ich noch von dem, was ärger als der Tod,
was grimmer denn die Pest, und Glut und Hungersnot,
Dass auch der Seelen Schatz so vielen abgezwungen.“
„Mich friert, wenn ich diese Zeilen lese“, sagte Wiebke, und ihre Lippen murmelten die dunklen Worte. „Der Reichsgraf sagt, dieser Gryphius sei einer der besten Köpfe unserer Zeit.“
Es war schön, Wiebke so nah zu sein. Noch immer teilten wir unsere Gedanken, und wenn König Christian nicht in Glückstadt weilte, auch das Bett. Diese gemeinsamen Nächte waren mein kostbarster Schatz, und wenn ich ihrem gleichmäßigen, ruhigen Atem lauschte, fühlte ich mich geborgen und geliebt.
Christian Ulrich Gyldenløve wuchs in diesem Jahr zu einem lustigen Kerlchen heran. Bereits mit elf Monaten lernte er zu laufen, und wenn er nicht wie ein Wirbelwind durch den Palast fegte, traktierte er mit seinem kleinen, hölzernen Schwert Tisch- und Stuhlbeine oder die unachtsame Dienerschaft.
„Er ist zum Offizier geboren“, erklärte der König lachend, wenn er seinen Jüngsten beobachtete, und der Stolz funkelte aus seinen Augen.
Wiebke wollte davon nichts hören. „Diese Welt hat genug Soldaten hervorgebracht“, schimpfte sie. „Ich wünschte, aus ihm könnte ein glücklicher Bauer werden.“
Zu ihrem großen Kummer war sie nicht wieder schwanger geworden, und obwohl sie die anstrengende Geburt durchaus noch in Erinnerung hatte, erhoffte sie sich doch weitere Kinder.
„Was kann ich nur tun, Johanna?“, fragte sie mich. „Soll ich den Leibarzt des Königs kommen lassen oder besser eine der Hebammen im Ort um Rat fragen?“
„Das wird sich herumsprechen“, warnte ich sie. „Man wird sagen, ihre Kraft ist schon verbraucht. Sie ist vertrocknet, äußerlich blüht sie zwar, innen aber ist sie ganz verdorrt.“ Wir blickten uns an, und ich wusste, dass auch sie an die Gräfin dachte: Kirsten Munk, die die Schwangerschaften geradezu angezogen hatte, obwohl ihr nie ein Kind willkommen war.
„Ich wünschte, die Zigeunerin fände zu mir“, sagte sie.
Ich hatte Wiebke von der seltsamen Frau im Herrenhaus erzählt, und da hatte sie mir von den Prophezeiungen der Zigeunerin berichtet.
„Ich denke oft über ihre Worte
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