Das Königsmal
Habsburger unterstützen die katholischen Bourbonen wieder einmal die Protestanten.“
König Christian blieb seltsam unberührt von den Erfolgen des Schweden.
„Auch er wird nicht glücklicher sein, als ich es war“, prophezeite er Wiebke, während er den Vormarsch des Löwen auf den Karten verfolgte. „Er ist auch nur ein Mensch, auch nur ein Mensch. Die Toten werden ihn mit sich ziehen.“
Und wirklich, die Leichen der Unschuldigen türmten sich im Rücken des schwedischen Heeres.
Im Mai desselben Jahres geschah Schreckliches. Während wir in Glückstadt die ersten Frühlingstage genossen, brannten die katholischen Kämpfer Magdeburg bis auf seine Grundmauern nieder. Die Überlebenden berichteten, die Stadt hätte drei Tage und Nächte wie eine Fackel gelodert. Auf den Flugblättern sahen wir Bilder, auf denen der Feuersturm die ganze Stadt verschlun- gen hatte. Nur die Kirche ragte wie ein Fingerzeig Gottes aus der Asche empor.
Das Blut der Toten hatte die Elbe rot gefärbt. Wenn wir in Glückstadt hinunter zum Fluss spazierten, konnten wir uns kaum vorstellen, dass stromaufwärts verkohlte Körper im Wasser trieben und die Straßen der Stadt mit Leichen übersät waren. Wir blickten auf die Elbe, nahmen uns bei den Händen und gedachten der Getöteten. Während Wiebke ihren Sohn an sich drückte, sahen wir in Gedanken, wie kleine Kinder in den Armen ihrer getöteten Mütter wimmerten. Wir sahen die Mädchen und Frauen, die den ersten Ansturm der Soldaten überlebt hatten und von diesen wieder und wieder geschändet worden waren, bis ihre entsetzten Seelen den Leibern entflohen. Es hieß, ganze Familien hätten sich wahnsinnig vor Angst von eigener Hand getötet.
Kaiser Ferdinand hatte sein Restitutionsedikt in Magdeburg auf das Grausamste vollstrecken lassen. Er hatte sich dafür gerächt, dass die Stadt sich mit Gustav Adolf verbündet hatte. Mehr als dreißigtausend Soldaten hatten sie überrollt, und Gustav Adolf, der der Jungfrau doch auf dreißig Jahre seinen Schutz versprochen hatte, war zu spät von der Oder nach Westen aufgebrochen und konnte den Bedrängten nicht beistehen. Seine Kavalleriepatrouillen standen dreißig Meilen vor Magdeburg, als ihn die fürchterliche Nachricht vom Fall der Stadt erreichte.
Flugblätter und Pamphlete brachten die Nachricht der Gräuel in alle Winkel des Reiches und verbreiteten Abscheu und Entsetzen. Es schien, als sei die Hölle auf Erden gekommen. Nie zuvor hatten wir ähnlich Böses und Finsteres vernommen.
In Glückstadt waren wir entsetzt. Die Menschen auf den Straßen weinten, tagelang hörte man niemanden laut sprechen, sogar die Vögel waren verstummt. Ganz Europa zeigte seinen Abscheu und versagte dem Kaiser jeden Jubel.
„Das widerliche Verbrechen raubt der Eroberung jeden militärischen Wert“, empörte sich Seine Majestät und gedachte der Toten in einem Gottesdienst.
Ich beobachtete, wie seine Hand unablässig über Wiebkes Arm strich, während er mit geschlossenen Augen den Worten des Pastors lauschte.
Nun waren die Schweden wie entfesselt. Sie hatten das kaiserliche Heer verfolgt und General Tilly im Norden zurückgeschlagen. Wenige Monate später verlor der kaiserliche General in der Schlacht bei Breitenfeld seine gesamte Artillerie, mehr als zwanzig Kanonen. Von seinen Männern lagen wohl Zwölftausend tot auf dem staubigen Schlachtfeld bei Leipzig. Tilly selbst war schwer verletzt worden. Sein rechter Arm sei zerschmettert, hieß es. Vom Wundfieber geschüttelt, war er in die Nacht entkommen.
Die Protestanten jubelten. Vor dreizehn Jahren hatte der Krieg begonnen, und nun – endlich – eine Wende. Es schien uns, als habe Gustav Adolf den Kontinent vom Fluch des Kaisers befreit. Die Furcht vor den Habsburgern und der katholischen Kirche schmolz, und ihr Sieg galt uns nicht mehr als unabwendbar.
„Für Kaiser Ferdinand ist die Niederlage ein schwerer Schlag“, freute sich König Christian, doch nun fürchtete auch er den Erfolg des Schweden. „Viele erwarten, dass der Schwede nun gen Wien marschiert. Manche glauben, er werde nach der Kaiserkrone greifen. Wohin er auch kommt, die Menschen beten ihn an wie einen Gott und Himmelssohn zugleich.“
Die Nachrichten vom weiteren Vorrücken des Königs aus Mitternacht beschäftigten auch die Menschen in der Elbfestung. „Er zieht durch die Pfaffengasse“, hieß es, als Gustav Adolf durch die bislang verschonten großen Bistümer marschierte. „In Schweinfurt haben sie ihm die Gassen mit
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