Das Königsmal
stand eine Reihe von silbernen Krügen auf einem kleinen Tisch.
Wie gehe ich am besten vor, fragte sie sich. Sollte sie das Elixier direkt ins Fass geben oder besser einige Krüge präparieren? Sie hielt das Giftfläschchen gegen das Licht, das durch die schmalen Kellerfenster hereinfiel. Die Flüssigkeit darin war klar wie Wasser. Unauffällig. Sie öffnete das Gefäß und roch daran. Etwas Süßliches wehte ihr entgegen, ein Hauch von Orangen vielleicht. Ihr Duft – auch daran würde sich niemand stören.
Kirsten Munk schwankte. Reichte der Inhalt des Fläschchens, ein ganzes Fass Wein mit Liebesschwüren zu beseelen? Sie schüttelte den Kopf und ärgerte sich, dass sie vergessen hatte, nach der genauen Dosierung des Liebesgiftes zu fragen. Ich träufele einige Tropfen in die Krüge, entschied sie sich. Sie trat an den Tisch und wollte beginnen, als sie plötzlich ein Geräusch oben an der Treppe hörte. Schnell sprang sie hinter eins der Fässer und kauerte sich dort in den Staub.
Doch nichts geschah und niemand kam die Treppe herunter. Das Geräusch wurde leiser, und nach einigen Minuten stand sie auf und begann von Neuem. Es standen acht Karaffen auf dem Tisch, jede für die Tafel des Königs bestimmt. Konzentriert und mit sicherer Hand ließ sie je zehn Tropfen in jede Kanne fallen. Dabei achtete sie darauf, die Karaffen nicht zu berühren und in ihrer zufälligen Ordnung zu verändern. Du wirst mich wieder lieben, Christian, dachte sie. Du wirst mich wieder lieben.
Es war kühl im Keller, doch sie spürte nicht, wie sich die Kälte langsam bis zu ihrem Herzen vorarbeitete.
„Wiebke.“ Christian stand auf und kam ihr entgegen, Erstaunen sprach aus seinen Augen. „Gouverneur“, er nickte von Pentz, fragend zu. „Wie komme ich zu diesem unerwarteten Besuch?“
„Ich muss Euch Meldung machen, Sir“, salutierte von Pentz, und der ungewohnt förmliche Auftritt ließ Christians Herz stolpern. Sofort war aller Groll, den er noch am Morgen gegen Wiebke, nein, gegen ihren schwärmerischen Blick auf Gustav Adolf, verspürt hatte, verflogen. Er zog sie zu sich, um ihre Wange zu küssen.
„Ich bitte Euch, sprecht!“
Doch es war Wiebke, die das Ungeheuerliche hervorsprudelte. „Die Gräfin, Christian.“ Aufgeregt machte sie sich von ihm los. „Gräfin Munk ist in der Stadt.“
„Das ist Unsinn. Ich habe keine Meldung … Christian stockte, da er von Pentz sorgenvoll nicken sah. „Die Gräfin, hier?“ Entsetzt atmete er aus. „Wie kommt ihr darauf?“
„Ich habe sie gesehen, schon gestern.“ Wiebke blickte ihn entschuldigend an. Dann begann sie zu erzählen – über die Begegnung im Garten, wie sie den Stadtgouverneur um Hilfe gebeten hatte, und schließlich von der gemeinsamen Entdeckung. „Wir haben ihre Pelzdecke gefunden, hier.“ Sie wies auf ein Bündel in Pentz’ Arm, das er bislang nicht beachtet hatte. Der Gouverneur entrollte die Decke, und Christian wich zurück. Wie ein böser Zauber überkamen ihn die Erinnerungen an die Verbannte. Bilder flogen ihn an, ein Sturm vergessen geglaubter Gefühle – gute und weniger gute.
Christian stöhnte auf. „Das ist ihre Decke, kein Zweifel. Ich habe gesehen, wie Kirsten sie einpackte, nachdem ich sie aufgefordert hatte, nach Laesø zu gehen. Wie konnte sie zurückkommen, ohne dass ich etwas davon erfahren habe? Noch nicht einmal Ellen Marsvin hat mich informiert – und sie muss es gewusst haben. Wo sonst hätte sie Unterschlupf finden können?“
„Majestät“, unterbrach von Pentz seine Gedanken. „Die Gräfin ist seit heute Morgen aus ihrem Quartier verschwunden. Wir müssen sie finden. Ich fürchte, sie verfolgt irgendwelche Pläne.“
„Pläne mich betreffend, oder will sie sich an Wiebke rächen? Was wisst ihr?“
„Wir wissen nichts. Leider. Doch ich vermute, dass sie sich an Eurer Frau rächen will. In ihren Augen muss Madame Kruse ihr unglückliches Schicksal verursacht haben.“
„Sie hat sich ihr Unglück selbst zuzuschreiben“, schnaubte Christian. Er war inzwischen ans Fenster getreten, das sich zur Elbe öffnete, und schien den Strom zu betrachten. Minutenlang sagte niemand ein Wort.
Schließlich setzte Wiebke erneut an: „Christian, der Gouverneur muss etwas unternehmen. Er benötigt Befehle, um die Wachen zu verstärken und die Stadt durchsuchen zu können.“
Christian drehte sich nicht um, antwortete jedoch: „Die hat er. Findet das Weib und schafft es her.“
Von Pentz grüßte und verließ das Kabinett des
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