Das Königsmal
abgeschlossen, dachte sie und stolperte erschrocken in den dunklen Treppengang. Modrige Luft schlug ihr entgegen, die Kälte des unterirdischen Raumes. Ihr Herz klopfte noch schneller. Sie spürte, dass Kirsten Munk ganz in der Nähe war, und wie von etwas Unsichtbarem angezogen, stieg sie die Treppe hinab. Sie musste sich einfach Gewissheit verschaffen.
„Leise, leise“, mahnte eine Stimme an ihrem Ohr, und für einen Moment hielt sie still.
„Da bist du ja wieder“, flüsterte sie. „Wo warst du?“ Niemand antwortete ihr, trotzdem fühlte sie sich plötzlich von der Zigeunerin beschützt. Ermutigt ging sie weiter, und ihre Finger, die sich eben noch an der feuchten, kalten Wand entlanggetastet hatten, spürten einen vertrauten Halt.
Nur noch wenige Stufen, dann hatte sie die Tür zum Kellergewölbe erreicht. Sie wusste, dass Christians Wein hier lagerte, viele Fässer für seinen persönlichen Gebrauch. Vorsichtig öffnete sie die Tür. In die dumpfe Feuchtigkeit der Luft mischte sich der Duft des Weines und, sie hielt inne und atmete tief ein, ein Geruch, den sie nicht vergessen hatte. Unverwechselbar, schwer, sinnlich – der Geruch einer lauernden Raubkatze.
Vorsichtig tastete sie sich weiter vor, bis sie vor dem ersten Fass stand. Sie hatte sich keine Gedanken gemacht, was sie tun wollte, sollte sie die Gräfin tatsächlich antreffen. Doch das Gewölbe war leer. Ihre Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt, und sie ließ ihren Blick über die Eichenfässer gleiten. Nichts.
Ihre Anspannung war inzwischen fast bis ins Unerträgliche gestiegen. Du lässt dich täuschen, dachte sie und strich über die Gänsehaut ihrer Arme. Sie muss hier sein, sie muss hier sein. Ihr Blick fiel auf die silbernen Kannen, die vor ihr auf einem Tisch standen und darauf warteten, mit Wein gefüllt zu werden. Sie nahm eins der Gefäße und roch daran. Wein und Silber und – ein Hauch von Orangen vielleicht.
Merkwürdig, dachte sie und roch an der nächsten Karaffe. Wein, Silber, Orangen. An jedem Gefäß schien dieser fruchtige Duft zu haften. Wiebke wischte mit dem Finger über den Boden einer Kanne. Er war feucht, wie mit Tau überzogen. Sie roch an ihrem Finger. Orangenduft. Sie führte den Finger an ihre Lippen.
„Wiebke Kruse.“ Die Stimme der Gräfin hallte durch den Raum und prallte mit Wucht auf sie ein. „Untersteh dich, davon zu kosten.“ Aus dem Nichts kommend stand die Gräfin vor ihr, sie bebte vor Zorn. „Was mischst du dich wieder ein. Dumme Göre, du. Dieses Mal wirst du mich nicht daran hindern, mir zu nehmen, was mir gehört.“
„Gräfin.“ Wiebke war einen Schritt zurückgetreten. Erschrocken und doch seltsam fasziniert, beobachtete sie, wie Kirsten Munk drohend auf sie zukam.
„Man sucht Euch bereits, Gräfin. Euer Plan wird nicht gelingen.“
„Das werden wir sehen, du elende, kleine Wäscherin.“
Die Gräfin versetzte ihr einen Stoß, der Wiebke so unvorbereitet traf, dass ihr die Karaffe aus der Hand fiel und polternd auf dem Boden landete. Ehe sie reagieren konnte, setzte die Gräfin nach und schlug wieder zu. Wiebke taumelte gegen die Wand und schlug mit dem Kopf gegen einen der vorspringenden Feldsteine. Benommen schwankte sie.
„Siehst du, du dummes Bauernding. Was habe ich dir gesagt“, wütete die Gräfin weiter. „Du bist mir nicht gewachsen. Niemand ist mir gewachsen. Ich hole mir den König zurück.“ Lachend griff sie nach einer Kanne und holte aus.“
Christian, dachte Wiebke entsetzt. Christian, wo bist du? Wie ein Blitz sauste das schwere Silbergefäß auf sie nieder. Sie schloss die Augen. Plötzlich zog sie etwas zur Seite. Krachend schlug die Karaffe neben ihrem Kopf auf einen Stein.
„Du tust mir weh, Tölpel.“
Wütend wehrte sich Kirsten Munk gegen den eisenharten Griff des Soldaten, der ihr die Arme auf den Rücken gedreht hatte. Sie trat nach ihm und versuchte, sich aus der Umklammerung zu befreien. Doch der Offizier ließ nicht los.
„Christian“, kreischte sie. „Befiel dem Mann, dass er seine stinkenden Hände von mir nimmt.“
„Den Teufel werde ich tun.“
Noch immer hielt Christian das Bauernmädchen in seinen Armen, und der Anblick – sie sah schließlich zum ersten Mal, wie er sie hielt, wie er sie wiegte – versetzte ihr einen Stich. Er wird nicht von ihr lassen, dachte sie. Selbst wenn es mir gelingen sollte, ihm eine ganze Karaffe des Beckerschen Elixiers einzuflößen. Ihr schöner Plan – verdorben durch ihre ach so
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