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Das Königsmal

Das Königsmal

Titel: Das Königsmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Burseg
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Körper schlangen und Juwelenstränge schwer um ihren Hals lagen. Und Wiebke Kruse … oh, sie hatte sich so viele wundervolle Demütigungen für die Wäscherin einfallen lassen.
    Schläfrig lächelte sie und schloss die Augen. Hans Ulrich Gyldenløve … sie könnten sich in allen Sälen lieben, zwischen ihren Kostbarkeiten, gemeinsam das schimmernde Parkett und den eisigen Marmor spüren. Sie sah ihren Liebhaber vor sich, sein offenes Gesicht, die großen Augen unter den buschigen Brauen, das lockige Haar. Er lächelte, öffnete seinen Mund, sie zu küssen.
    Plötzlich verschwamm das Bild, es zerfloss zu einer Fratze, dann zu schwarzem Nebel, bevor es sich von Neuem zusammensetzte. Es waren ähnliche Züge, die sie wie im Wahn anblickten, jedoch älter, gezeichnet. Es war Christians Gesicht. Als er den Mund öffnete, krochen Schlangen heraus, und eine schreckliche Ahnung ließ sie entsetzt zusammenfahren.
    Aufgewühlte Wellen ließen das Schiff schwanken, mit dunklen Schlägen klatschte das Wasser gegen das Holz. Wiebke stand in der königlichen Kajüte an Bord der Trefoldighed und blickte durch das Bullauge auf die stürmische See. Das Meer lag wie der Anfang eines namenlosen Schreckens vor ihr. Am Horizont tauchte der Himmel in die schäumenden Wasserfluten, und in unmittelbarer Nähe jagten die Segel der feindlichen Schiffe auf sie zu. Der Wind stand günstig, und schon bald würden Dänen und Schweden aufeinandertreffen.
    Wiebke klammerte sich an die Messinggriffe, die links und rechts des Ausgucks angebracht waren. Angst stieg in ihr auf und ließ sie keuchen. Sie hatte nicht erwartet, dass der Kampf so schnell beginnen würde. Wir sind doch gerade erst ausgelaufen, dachte sie. Die Gesichter ihrer Kinder kamen ihr in den Sinn, Johannas weiche, feuchte Lippen, die sie gestern noch zum Abschied geküsst hatten, bevor sie nachts an Bord gebracht worden war – heimlich, sodass kein Seemann von ihrer Anwesenheit im Bauch des Schiffes erfahren hatte.
    Oben an Deck brüllte jemand Kommandos, sie lauschte den Stimmen, Bewegungen und versuchte sich vorzustellen, was geschah. Stiefel knallten über die Planken, Geschütze wurden fluchend ausgerichtet, Segel brüllten im Wind. Der Feind war gut gerüstet, sie hatte mehr als vierzig Schiffe gezählt, die unter dem Befehl von Admiral Claus Flemming fuhren. Auf dänischer Seite kommandierte Admiral Peter Galt. Es war vereinbart, dass die Trefoldighed an der Spitze kämpfen sollte. Christian selbst stand mit gezogener Waffe auf der Schanzbrücke und führte das Kommando auf dem Schiff. Sein Mut feuerte die Mannschaft an.
    Wiebke schluchzte auf. Christians Abschiedsworte hallten in ihren Ohren wider.
    „Ich liebe dich“, hatte er geflüstert und sie lange in seine Arme geschlossen. Sie hatte sich fest an ihn gedrückt, die kratzige Wolle seines Uniformrocks gespürt, die ihm Haltung gab, seine Angst gerochen. „Was auch geschehen soll, ich werde dich nicht verlassen. Ich bin bei dir, hörst du, auch wenn ich nicht mehr auf dieser Erde bin.“
    Sie hatte genickt, aber nicht antworten können. Ein verzweifelter Kuss noch, dann hatte sich Christian von ihr gelöst und seine Waffen an sich genommen. Bevor er die Kajüte verlassen konnte, hatte sie ihm das Kreuz um den Hals gelegt, das er ihr einst geschenkt hatte. „Gott schütze dich, Christian“, murmelte sie jetzt.
    Von Norden flogen die ersten schwedischen Kugeln über das Wasser. Gischt spritzte auf, als das glühende Eisen zischend im Meer versank. Die Dänen antworteten schnell. Bald war die Luft vom Dröhnen der Geschütze erfüllt, Rauch legte sich wie Nebel über die See, und der Geruch nach Feuer und Schwarzpulver brannte ihr in der Nase.
    Vor ihren Augen entrollte sich die Schlacht wie ein riesiges Gemälde. Wiebke sah Schiffe, die mit ungeheuerer Wucht aufeinanderkrachten, Holz splitterte, Männer fielen schreiend aus den Segeln und wurden gierig vom Meer verschluckt. Andere Schiffe brannten wie Zunder, und die scharlachroten Flammen schienen direkt aus dem Meer in den Himmel zu steigen – als ob sich ein Ungeheuer aus den Untiefen der See erdreiste, nach den Wolken zu greifen.
    Das ist Krieg, dachte Wiebke. Nie war sie den Kämpfen so nah gewesen, nie hatte sie die Geräusche des Todes so unmittelbar vernommen, seine Gewalt gespürt. Sie lauschte dem sinnlosen Elend, zuckte zusammen, wenn Kugeln das Schiff trafen oder wilde Manöver die Trefoldighed schlingern ließen. Bisweilen glaubte sie, jede menschliche

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