Das Königsmal
Seele hätte die Fregatte verlassen und der Teufel selbst stünde am Ruder, um seine Fracht in den Hafen seines Höllengrunds zu bringen.
Der Kampf wogte über Stunden, und mit Abscheu und Hass verfolgte sie aus ihrem Versteck seine unheilvollen Fortschritte. Die Schweden hatten einige Schiffe verloren, und auch in den dänischen Geschwadern gab es Verluste. Auf der Trefoldighed waren Kugeln eingeschlagen und hatten verwundet und getötet. Sie hatte die entsetzlichen Schreie der Männer gehört, die in ihrem wilden Schmerz Gott um Hilfe oder einen Kameraden um die Gnade des Todes anflehten.
Dennoch war ihr, als hätten sich Christians Männer einen winzigen Vorteil erarbeitet. Als der Wind nachließ und die schwedischen Schiffe von einem Moment auf den anderen in Lee lagen, trieben die Feinde auseinander. An Deck jubelten die Männer, und Wiebke ließ sich auf einen Stuhl fallen. Sie rieb ihre eiskalten Hände, mit denen sie sich während des ganzen Kampfes am Ausguck festgeklammert hatte, dann ließ sie ihren Kopf erschöpft nach vorne in den Schoß fallen.
Christian, dachte sie, Christian, wie geht es dir? Sie hatten vereinbart, dass er zu ihr hinabsteigen würde, sobald die Schlacht geschlagen war, und so horchte sie in die Eingeweide des stampfenden Schiffes.
Plötzlich hörte sie etwas, ein leise Surren, Metall, das die Luft durchschnitt. Es kam über das Wasser, und noch bevor sie schreien konnte, schlug etwas oben an Deck ein. Metall splitterte, Männer stolperten, fielen polternd zu Boden, dann ein wilder Schrei: „Der König ist getroffen.“
Wiebke dachte nicht nach. Sie vergaß jedes Verbot, raffte ihre Röcke, stürzte aus der Kajüte, die dunkle Stiege hinauf ins Licht, stolperte über das Deck, fiel über Tote, Verwundete, rutschte in blutigen Lachen aus. Sie sprang wieder auf, stieß Männer zur Seite, erreichte die Schanz, wo sie ihn liegen sah.
„Christian.“ Ihr Schrei löste sich vom Grund ihres Herzens, sie fiel auf die Knie, rutschte auf ihn zu, bettete seinen Kopf in ihren Händen. „Christian.“
Er blutete, sein Gesicht zerfloss in ihren Händen, ein warmer Strom Leben. Sie riss an ihrem Rock drückte ihm einen Fetzen auf die Wunde.
„Wo ist der Arzt?“, schrie sie wild und blickte zum ersten Mal zu den erschrockenen und verblüfften Gesichtern der Umstehenden auf.
„Hier.“ Der Leibarzt stürzte an ihre Seite. Mit sicherem Griff tastete er nach dem Puls des Königs. Er nickte erleichtert, dann untersuchte er die Wunde, schweigend, eine Ewigkeit lang. Schließlich blickte er auf. „Der König wird das Auge verlieren.“
„Aber nicht sein Leben?“
„Nein. Ein Splitter hat das Auge ausgeschlagen, aber er ist nicht von einer Kugel getroffen. Ich muss ihn verbinden, kommt, bringen wir Seine Majestät unter Deck.“
Mehrere Männer hoben den König auf, und die Bewegung brachte Christian wieder zu Bewusstsein. Benommen irrte sein Blick über die Umstehenden, bis sein unverletztes Auge Wiebke erblickte. Ein Lächeln glitt über sein Gesicht, bis ihm bewusst wurde, dass sie sich über sein Verbot hinweggesetzt hatte.
„Wiebke, was machst du hier?“
Sie schlug die Hände vors Gesicht, lachte und weinte. „Ich bin bei dir.“
Gott hatte ihm ein Augenlicht genommen und ihm das Leben gelassen. Christian rätselte über den Sinn seiner Verletzung, und es gab Momente, in denen er mit seinem Schicksal haderte. Er war nicht dankbar für die Gnade des Herrn. Der Schuss hätte mich treffen sollen, dachte er dann. Er war für mich bestimmt.
Erst im letzten Moment hatte er die feindliche Kugel heranrasen hören, zischendes Unheil, und ohne nachzudenken, hatte er sich zu Boden fallen lassen. Die Kugel traf den Zündlochdeckel einer Kanone, Holz- und Eisensplitter spritzten umher, dann bohrte sich der Schmerz in seine Gedanken. Die Kugel selbst hatte einen Matrosen getroffen, der Zündlochdeckel den Arm eines anderen zerschmettert.
„König Christian, der Einäugige“, kam es ihm in den Sinn. Nun sollte er die letzten Jahre seines Lebens gezeichnet durch Gottes Welt irren. Der Herr hatte ihn mit einem Makel versehen, ein sichtbares Zeichen seiner Demütigung. Und er hatte sich diesen Stempel wahrlich verdient. Wie hatte er auch glauben können, dass es ihm gelingen würde, die schwedische Flotte auf den Grund der Ostsee zu versenken? Gott hatte ihm sein Leben gelassen, doch er hatte ihm seinen Stolz und seine Würde genommen.
Nachdem die erste Schlacht mit einem Vorteil für die
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