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Das Königsmal

Das Königsmal

Titel: Das Königsmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Burseg
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gezeigt habe. Ich hoffe, bald zu Euch kommen zu können, dann können wir das Werk gemeinsam fortsetzen.“
    Unter den Text setzte er einen unleserlichen Schnörkel, dann versiegelte er das Schreiben.
    „Du kannst lesen?“, fragte er Wiebke unvermittelt.
    Ertappt zuckte sie zusammen, denn sie hatte neugierig auf das Blatt gestarrt, das er ohne jede Vorsicht vor ihr ausgebreitet hatte.
    „Ja, mein Vater hat nicht nur seine Söhne zum Schulmeister geschickt. Er ist der Meinung, dass ein wacher Geist auch Frauen nicht schadet.“
    „Da kannst du aber mächtig stolz auf deinen alten Herrn sein. Die meisten Männer fürchten sich davor, den Frauen die Tür zur Macht des Wortes zu öffnen. Als ob der Kopf das Weib noch gefährlicher machen könnte, als es durch seinen Leib ohnehin schon ist“, scherzte von Solms und warf ihr einen weiteren anzüglichen Blick zu. „Du interessierst dich doch sicherlich auch für den Zauber des Gärtnerns, habe ich Recht?“
    „Nein, mein Herr. Nicht für diese Art der Blütenpflege. Und, mit Verlaub, ich wusste auch nicht, dass sich meine Herrin für schmutzige Erde und Blumenzwiebeln begeistert.“
    Der Graf lachte auf und zog Wiebke von seinem Bett.
    „Vorzüglich pariert.“
    Für einen Moment standen sie so nah voreinander, dass sich ihre Körper fast berührten. Taxierend blickten sie sich an, dann hielt der Offizier ihr den Umschlag entgegen.
    „Übergeb das Schreiben deiner Herrin persönlich. Ich möchte nicht, dass neugierige Augen es zu sehen bekommen. Und reite schnell, nach Sonnenuntergang treibt sich hier allerlei Gesindel herum. Deine Schönheit wird selbst die Waldgeister aus ihren Verstecken locken, wenn du nicht wie der Blitz durch das Gelände fegst.“
    In der Tat war die Sonne bereits hinter dem Waldstück untergegangen, und in der einsetzenden Dunkelheit war es schwer, den Weg hinaus aus dem Lager zu finden. Mehrmals verirrte sich Wieb- ke in den endlosen Zeltreihen und wurde von angetrunkenen Soldaten bedrängt, bis sie auf den richtigen Pfad stieß und in der Ferne die Burg erblickte. Aus den Fensteröffnungen der Türme drang schwaches Licht in den Abendhimmel. Mit wildem Schenkeldruck trieb sie das Pferd voran. Endlich sprengte sie im Galopp über den Wassergraben in den Hof, saß ab, führte die Stute in den Stall und drückte die Zügel einem jungen Stallburschen in die Hand.
    Auf dem Ritt zurück hatte sie sich gefragt, was sie mit ihrem Wissen tun sollte. Die unverhohlenen Andeutungen des Rheingrafen und der nur allzu deutliche Inhalt des Briefs ließen keinen Zweifel mehr zu. Otto von Solms musste der Liebhaber der Gräfin sein. Sollte der König eine Ahnung von dieser Liaison bekommen, wären beide in größter Gefahr. Einer untreuen Ehefrau drohte die Verbannung vom Hof – vielleicht auch Schlimmeres. Und der Liebhaber musste um nicht weniger als sein Leben fürchten.
    Der Brief, den sie sich unter ihr Mieder geschoben hatte, brannte wie Feuer auf ihrer Haut. Was sollte sie nur tun? Wiebke wusste, dass sie sich nicht gegen Kirsten Munk stellen durfte. Auch wollte sie ihre Herrin nicht in Gefahr bringen – obwohl ihr die Heimlichkeiten der Gräfin nicht behagten, sie sogar abstießen. Doch stand es ihr zu, die Herrin wegen ihres liederlichen Lebens anzuklagen? Andererseits durfte sie den König nicht hintergehen und sich zur Helfershelferin dieses unwürdigen Schauspiels machen. Verrat bestrafte Seine Majestät schwer und wenn er die Zofen seiner Frau der Komplizenschaft anklagte, würde man sie nicht schonen.
    Von welcher Seite sie das Dilemma auch betrachtete, sie war gefangen zwischen Loyalitäten und Verpflichtungen. Angst vor einer Katastrophe erfüllte sie, und sie fühlte ihr Herz beklommen schlagen.
    Als sie die Treppe zu den Gemächern ihrer Herrin hinaufstieg, wisperte eine Stimme an ihrem Ohr: „Sprich deshalb, auch wenn es dir noch so schwer fällt, immer nur die Wahrheit. Sie wird dir in der Not weiterhelfen.“
    Erschrocken drehte sie sich um, doch da war niemand. Starr und stumm blickten sie die Porträts der Steinburger Urahnen an, versteinerte Mienen, Grafen und Gräfinnen, die das Land in den vergangenen Jahrhunderten regiert hatten. Mächtige Geweihe und andere Jagdtrophäen legten beredtes Zeugnis vom Wildreichtum der Gegend und dem blutrünstigen Zeitvertreib der Landesherren ab.
    „Sprich deshalb immer nur die Wahrheit“ – sie hatte diese Worte schon einmal gehört. Und plötzlich hatte sie das Bild der Zigeunerin vor

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