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Das Königsmal

Das Königsmal

Titel: Das Königsmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Burseg
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schon zurückgezogen. Die großzügige Anlage aus dicken, roten Backsteinmauern mit den schönen Treppengiebeln, die im Sommer von Getreidefeldern umwogt wurde, lag dunkel in der Nacht. Kein Laut durchdrang die Stille, die sich über die Ländereien im Herzen der Insel gesenkt hatte. Nur der Wind bewegte die Blätter in den Bäumen und raschelte sanft in Hecken und Sträuchern. An der Küste, die kleine Handelsstädte mit strohgedeckten Fachwerkhäusern säumten, schlugen die schwarzen Wellen der Ostsee an den Strand.
    Noch vor zweihundert Jahren war die beschauliche Insel, der Garten seines Reichs, der Regierungssitz der dänischen Könige gewesen. Doch Christian hatte sich nicht auf der zugigen, alten Burg im Hafen von Nyborg einquartiert. Ihm graute vor den vorwurfsvollen Stimmen seiner Ahnen. Die Toten wisperten dort in jedem Winkel und lamentierten aus dem Jenseits über seine schmachvolle Niederlage.
    Lieber hatte er den Hof seiner Schwiegermutter bezogen. Christian schätzte Ellen Marsvins nüchternen Verstand, ihre Geschäftigkeit und unsentimentale Art, die sie an den Tag legte. Aus ihren Augen las er keine Verachtung und kein Mitleid heraus. Sie war eine Frau, die wusste, dass das Leben Kapriolen schlug. Es war nur wichtig, Schritt zu halten.
    Der König und die Gutsherrin hatten es sich zur Gewohnheit gemacht, ihre Gemächer erst weit nach Mitternacht aufzusuchen. Nachdem Christian sein Hauptquartier nach Dalum verlegt hatte, waren sie hier an vielen Abenden zusammengekommen, um schweigend ihr jeweiliges Reich zu regieren. Sie rechnete Scheffel für Scheffel Ernteerlöse zusammen und plante die Aussaat auf ihren Ländereien für das kommende Jahr. Er studierte die Bewegungen der Heere auf dem Kontinent, zählte seine Truppen und entwarf Strategien, die sich im Licht des neuen Tages und im Gespräch mit seinen Befehlshabern regelmäßig als Makulatur erwiesen. Dem nächtlichen Geist fruchtloser Weinseligkeit entsprungen.
    Christian seufzte und zeichnete eine neue Linie auf dem jütländischen Festland ein. Dort stand der Feind, die Kaiserlichen hatten die Küsten längst erreicht. Die Fahnen der Habsburger wehten an Nord- und Ostsee, Holstein war aufgegeben. Innerhalb eines Jahres waren Tilly und Wallenstein so weit vorgedrungen, wie er es selbst in seinen schlimmsten Träumen nicht erwartet hatte.
    In seinen Gedanken überließ er sich einmal mehr den Ereignissen. Nach dem Sieg über die Dänen hatten Tillys Truppen das Bistum Hildesheim besetzt. Wallensteins Heere standen in Magdeburg und Halberstadt, vor Brandenburg und in einigen Teilen Böhmens. Das Rheinland war von spanischen und bayrischen Truppen besetzt. Auch Österreich, Böhmen und Ungarn unterhielten kaiserliche Heeresteile. Christians Karten waren überzogen von dicken Schraffuren, die die feindlich besetzten Gebiete markierten. Wie Tintenfraß breiteten sie sich unaufhaltsam auf den Papieren aus.
    Die Bevölkerung litt unsäglich. Nach einer Missernte im Westen Deutschlands herrschte in Franken und im Rheintal Hungersnot. In Straßburg, in einigen Gegenden von Brandenburg, in Schlesien und an der Saar hatte die Pest gewütet. In Württemberg hatten Berichten zufolge Hunger und Pest fast dreißigtausend Opfer gefordert – ganze Städte und Landstriche waren entvölkert. Christian stellte sich vor, wie die Stille des Todes dort jeden Lebenswillen erstickte.
    Der Durchzug der Heere brachte Typhus, Syphilis und die Blattern in jeden Winkel des Landes. Verseuchte Pferde und Rinder schleppten sich mit dem Tross und steckten die Tiere in den Höfen an, sodass auch die letzten kläglichen Viehbestände verendeten. Aufgeblähte Kadaver säumten die Heereswege – und manchmal war nicht zu erkennen, ob da ein Mensch oder ein Tierkörper verfaulte und langsam zu Staub zerfiel, um sich wieder mit der Erde zu vereinigen.
    Christian schauderte es, dabei hatte es doch Hoffnung gegeben – mitten im Winter. Gerüchte hatten die Runde gemacht, Wallensteins Heer würde aufgelöst und der Feldherr selbst sollte entlassen werden. Von allen deutschen Herrschern standen schließlich nur noch die Herzöge von Mecklenburg, der protestantische Administrator von Magdeburg und Friedrich von der Pfalz gegen den Kaiser. Alle Übrigen waren entweder geschlagen, unbeteiligt oder kämpften längst für Ferdinand. In langen Gesprächen hatte Christian mit seinem engsten Vertrauten Buchwald über die Pläne des Kaisers gesprochen.
    „Es gibt nichts, was gegen Frieden

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