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Das Königsmal

Das Königsmal

Titel: Das Königsmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Burseg
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Heer von fast achttausend Mann befehlen.
    Worauf hoffte der König nur? Wir konnten es uns nicht erklären. Wiebke hatte erfahren, dass geplant wurde, sich mit den Resten der Mansfeldschen Truppen zu vereinigen, die in Schlesien und in Mähren standen.
    „Mansfeld ist doch tot, den Truppen im Osten fehlt ein fähiger Kopf. Wie kann Seine Majestät an eine glückliche Wendung glauben?“, fragte sie verzweifelt.
    Nachdem der Fürst von Siebenbürgen, alt und kriegsmüde, seinen Frieden mit dem Kaiser geschlossen hatte, war er zu keiner Unterstützung der protestantischen Sache mehr bereit gewesen. So hatte Mansfeld seine Männer verlassen, um in Venedig neue Geldquellen aufzutreiben. Auf der Reise war er jedoch an einem plötzlichen Blutsturz gestorben. Zeugen hatten dem König berichtet, Mansfeld sei Gott herausfordernd im Harnisch und auf- recht stehend begegnet, ein Soldat – auch im Todeskampf. Doch Seine Majestät misstraute den Berichten. Er glaubte an einen feigen Giftanschlag auf den tapferen, wenn auch eigensinnigen Mitstreiter.
    So war das Katastrophenjahr mit einem weiteren Schlag für die Protestanten – für uns – zu Ende gegangen. Der König beging den Jahreswechsel mit ernsten Gottesdiensten, eine Feier des Sieges Christi über die bösen Mächte der Welt. Das Gesinde feierte die Raunächte, jene zwölf orakelhaften Nächte zwischen dem Heiligen Abend und dem Fest der Erscheinung des Herrn. Nach altem Glauben stand in dieser Zeit das Geisterreich offen. Die Seelen der Verstorbenen sollten ausziehen, Dämone jagten durch die Lande, und das Vieh im Stall sprach um Mitternacht die menschliche Sprache und deutete die Zukunft. Wir beteten und entzündeten Kerzen. Durch lautes Peitschenknallen sollte das Unheil in die Flucht geschlagen werden. Und für einen Moment glaubten wir tatsächlich, das neue Jahr könnte glücklicher verlaufen. Als Wiebke und ich in dieser Nacht zu Bett gingen, hielten wir uns bei den Händen. Es hätte nicht viel gefehlt und unsere Scheu vor Zärtlichkeiten wäre von der Dunkelheit verschluckt worden.
    Das zehnte Kriegsjahr wurde jedoch von einem trüben, kalten Neujahrsmorgen eröffnet. Auch außerhalb Deutschlands hatte sich unsere Lage nicht verbessert. Das Veltlin stand den Spaniern weiterhin offen, und in Frankreich loderte der Hugenottenaufstand wieder auf. Das Land der Bourbonen war mit sich selbst beschäftig und gefesselt.
    Alle Diplomatie und Geheimpolitik des Königs schien vergebens gewesen zu sein, als auch noch England Frankreich den Krieg erklärte. Die Engländer unter dem schönen Herzog von Buckingham sollten eine beschämende Niederlage erleiden, doch Kardinal Richelieu musste zuvor die Hilfe des mächtigen Spanien, die Hilfe der Katholiken, annehmen. Wieder bröckelte die Wand gegen die Habsburger. Alle Gebete und Geisteraustreibungen hatten uns nicht helfen können. Niemand stand uns bei.

DIE INSEL
Dalum auf Fünen, Ende Oktober anno 1627
    Der schwere Stuhl, bezogen mit weichem Kalbsleder, das die Jahre dunkel gegerbt hatte, ächzte bei jeder Bewegung. Beugte sich Christian vor, knackte das Holz in seinem Rücken, als ob die hohe Lehne froh wäre, sich seiner Last für einen Moment entledigt zu haben. Lehnte er sich gegen das Leder, knarrten die gedrechselten Beine.
    „Auf diesem Stuhl haben schon meine Ahnen gesessen“, sagte Ellen Marsvin, die ihm gegenüber Platz genommen hatte und in ihren Haushaltsbüchern rechnete. Sie blickte gedankenverloren auf, vor ihren Augen erschien eine Reihe längst vergessener Gesichter, viele davon vom Ehrgeiz beseelt. Dann rieb sie sich müde die Lider. „Er hat in diesem Haus schon viele Besucher kommen und gehen sehen.“
    „Und jetzt muss er die Last des Königs von Dänemark auf sich nehmen“, fiel Christian ihr ins Wort, und ein nachdenkliches Lächeln umspielte seine Mundwinkel. „Kein Wunder, dass er ächzt und protestiert.“
    Er legte vorsichtig die Beine übereinander und wandte sich wieder seinen Karten zu. Auch seine Schwiegermutter beugte sich wieder über ihre Zahlen, ab und zu nippte sie an einem Becher Wein, ein schwerer Roter aus ihren weitläufigen Kellern, von dem auch Christian immer wieder in großen Schlucken trank. Der Wein umschmeichelte seine Zunge und legte sich wie Samt über seine Gedanken. Von irgendwo durchzog ein fast unmerklicher Lufthauch die dunkel getäfelte Schreibstube und ließ die Kerzen flackern.
    Es war ruhig im Gutshaus, die übrigen Mitglieder des Haushalts hatten sich

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