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Das Königsmal

Das Königsmal

Titel: Das Königsmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Burseg
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fragte ein hochgeschossener Kerl, der wütend neben dem König hockte und wohl am liebsten über Bord gesprungen wäre, um seinen Herrn zu schützen.
    „Nein, nein, wir schießen nicht auf unsere Leute“, gab Christian scharf zurück. Seine Augen hatten sich zu Schlitzen verengt. „Sie tun nur ihre Pflicht. Aber wir müssen nahe genug herankommen, dass wir uns zu erkennen geben können. Haltet auf das Ufer zu.“
    Vorsichtig ruderten die Matrosen weiter, doch wieder fielen Schüsse. Christian fluchte, die Soldaten spannten die Hähne ihrer Musketen. Noch ein weiterer Schuss, und sie feuerten ihre tödlichen Salven ab. Auf dem flachen Strand boten ihnen die Angreifer ein sicheres Ziel.
    Wiebke hielt den Atem an, vorsichtig äugte sie aus ihrer Deckung heraus. An Land sah sie Männer und Frauen, die mit Piken, Forken und einigen Musketen bewaffnet waren. „Sturköppe“, in ihren Ohren hallte die Stimme ihres Vaters wider. Der Stolz der Dithmarscher Bauern war bekannt, und über viele Jahrhunderte hatten sie Sonderrechte genossen. Vehement hatten sich die reichen Landbesitzer gegen alles Unbekannte gewehrt. Keine fremde Macht hatte sich auf Dauer im Land festsetzen können. Erst im letzten Jahrhundert war es Christians Vater, König Friedrich II. von Dänemark, nach mehreren schweren Gefechten gelungen, die Dithmarscher zu unterwerfen. Dennoch waren sie in vielen Bereichen eigenständig geblieben. Und immer noch galt ihr Schlachtruf „Wahr di Gahr, de Bur kümt!“ Respekt, so sagte man, flößten ihnen nur Gott und das Meer ein.
    Einem plötzlichen Impuls folgend sprang Wiebke auf. Überrascht starrten die Bauern sie an – zwischen den waffenstarrenden Soldaten musste sie wie eine Erscheinung wirken. Das Boot schwankte unter ihren Füßen. Ihr Herz klopfte. Was hatte sie getan?
    „Schießt nicht!“, rief sie und fasste an ihr Kreuz. Dann winkte sie wild mit den Armen. „Erkennt ihr denn den König nicht? Glaubt ihr, der Feind käme mit Frauen und Kindern an eure Küste?“
    Auch Christian war jetzt aufgesprungen und entsetzt an ihre Seite gestürzt, bereit, das Mädchen vor dem nächsten Angriff zu schützen. Sein Umhang flatterte im Wind.
    „Runter mit dir, Wiebke“, zischte er mit kehliger Stimmer und packte sie grob am Arm.
    Hinten im Boot begannen die Kinder zu weinen. Die Soldaten starrten sie mit weit aufgerissenen Augen an. Wiebke schmeckte das Salz in der Luft und konnte sich nicht rühren.
    Das Boot schaukelte schutzlos gegen die Wellen an. Niemand wagte es, sich zu bewegen. Doch am Ufer blieb es ruhig. Verwirrt schauten sich die Dithmarscher an. Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, dann senkte einer nach dem anderen abwartend seine Waffe, blieb jedoch in gespannter Haltung. Jederzeit bereit, auf das Boot zu feuern.
    „Langsam aufs Ufer zu“, befahl der König leise, als er sicher war, dass nicht mehr geschossen wurde. „Ich gehe allein an Land.“
    Dann schwang er sich in das flache Wasser und watete vorsichtig durch den Schlick an den Strand. Jeder Schritt wirbelte grauen Schlamm vom Meeresboden auf, der sich an seinen hohen Stiefeln absetzte.
    Wiebke hielt den Atem an, wieder spannten die Soldaten die Abzugshähne ihrer Musketen. Die Spannung stand wie eine Wand zwischen den Bauern und dem König, der jetzt besänftigend die Hände hob. Dann setzte er langsam seinen Hut ab. Als die Männer und Frauen seine heilige Locke sahen, das überall bekannte Zeichen ihres Landesherrn, fielen sie auf die Knie und legten ihre Waffen in den Sand.
    „Verzeiht uns, Majestät“, rief einer der Älteren zitternd, den Zorn des Königs fürchtend. „Wir haben Euch nicht erkannt und schützten unser Land.“
    Christian begann plötzlich zu lachen. Er lachte, dass ihm die Tränen über die Wangen liefen.
    „Bravo, Dithmarscher“, rief er und zog den Mann vom Boden hoch. „Ihr macht eurem Ruf alle Ehre. Ihr versteht es, euer Land vor Feinden zu schützen. Ich bin schon in viele Kämpfe geraten, doch noch nie war ich in Gefahr, von einer Mistgabel aufgespießt zu werden. Jetzt kann ich von eurem Mut aus eigener Erfahrung sprechen.“
    Der König ging auf die Bauern zu und legte einen Arm um ihren Anführer, einen breitschultrigen Kerl mit derben Zügen.
    Auch die Soldaten an Bord hatten ihre Waffen heruntergenommen. Auf einen Wink des Königs begannen sie, Frauen, Kinder und das Gepäck an Land zu befördern. Wiebke selbst zog ihre Pantinen aus, raffte den Rock, sprang ins Wasser und lief an Land. Der Strand

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