Das Königsmal
bemerkte, dass ihn Gustav Adolf gespannt beobachtete. Er meinte, ein spöttisches Zwinkern in seinen Augen zu lesen. Er denkt, er hat mich schon in der Hand und kann mich wie eine Spielfigur dirigieren, dachte er. Aber der Löwe aus Mitternacht täuscht sich. Noch bin ich nicht am Ende. Noch kann auch ich taktieren.
Laut sagte er: „Ich gebe Euch Recht, wir können warten. Lasst uns sehen, wie sich die Hanse verhält. Wenn Wallenstein sich tatsächlich geschlagen geben muss, rücken wir nach.“
„Die Klugheit des erfahrenen Kämpfers spricht aus Eurem Mund“, sagte Gustav Adolf. Er kam auf ihn zu, streckte ihm die Hand entgegen. „Schlagt ein. Auch wenn unser Bund noch von Zurückhaltung geprägt ist, so soll es ihm nicht an Kraft fehlen.“
Christian zögerte einen kurzen, fast unmerklichen Moment, dann ergriff er die Hand des Schweden. Der Druck war kraftvoll, präzise, Wärme pulsierte. Und plötzlich, aus dem unkontrollierbaren Strom der Gedanken durchzuckte ihn eine Gewissheit: Ich werde den Löwen überleben.
Johanna von Krabbe, erste Hofdame am Hof Christians IV.: Aus ihren geheimen Aufzeichnungen
Nachdem ich Wiebke kennen gelernt hatte, waren wir nur einmal getrennt: Als Ellen Marsvin die Schwangerschaft ihrer Tochter entdeckt hatte, veranlasste sie, dass Kirsten aus dem Leben des Königs verschwand. Sie sei schwach, erklärte sie in einem Brief an ihn. Die Flucht aus Deutschland habe sie erschöpft, sie habe keinen Appetit und selbst ein Blick auf ihre Juwelen bereite ihr keine Freude. Sie selbst werde ihre Tochter auf eins der Güter begleiten, wo kein soldatisches Lager sie an den großen Krieg erinnere.
Sobald sich Kirsten von ihrem Sturz erholt hatte, verließ die Reisekutsche Dalum und rollte einem Ziel im Norden entgegen. Ellen Marsvin hatte befohlen, dass ich die Gräfin begleitete. Wiebke sollte bei den Kindern bleiben, bis ihre Mutter, blühend und erholt, von ihrem Kuraufenthalt zurückkommen würde. So wie schon andere Damen vor ihr, die schwach und angespannt zu einer Erholungsreise aufbrachen und einige Monate später strahlend gesund und schlank wieder nach Hause zurückgekehrt waren. Die Anwendungen hätten Wunder gewirkt, hieß es dann in der Gesellschaft. Manchmal flüsterte man jedoch, ein unglückliches Balg wachse jetzt fern von seiner Mutter auf. Eine hilfsbereite Seele habe sich seiner angenommen und lasse sich ihre Dienste gut bezahlen.
Während der Fahrt ging es Kirsten nicht gut. Auch wenn sie alle vorangegangenen Schwangerschaften unbeeindruckt an sich hatte vorüberziehen lassen, kämpfte sie jetzt mit ihrem Zustand. Vom Rütteln des Wagens wurde ihr übel, und immer wieder krampfte sich der gewölbte Bauch zusammen, als wollte er das Kind schon vor der Zeit in die Welt entlassen. Ich kannte die Gräfin nur als stolzes, herrisches Wesen, doch jetzt heulte und zitterte sie wie ein kleines Mädchen. Das Unglück schüttelte sie, und ein Ausdruck von Fassungslosigkeit lag in ihren Augen. Fast empfand ich Mitleid für sie, doch dann sah ich wieder ihr selbstsüchtiges Gesicht vor mir, ihr ganzes Sein, das nur auf Vergnügen bedacht war.
Da sich die Gräfin entschlossen hatte, nie wieder ein Wort mit ihrer Mutter zu wechseln, verbrachten wir die Fahrt in quälendem Schweigen. Wenn wir unterwegs pausierten, suchte sie die Gesellschaft der anderen Reisenden. In den Gasthöfen setzte sie sich mit mir an den Tisch, an dem es am lautesten zuging, und sog begierig alle Geschichten auf, die mit den Kaufleuten reisten. Dabei rupften ihre Hände unaufhörlich an den samtenen Ohren ihres Hundes, der sie in einem Beutel begleitete.
So erfuhren wir auch, dass der Kaiser in Prag seine zweite Frau hatte krönen lassen. Die Zeremonie war mit nie gesehenem Prunk gefeiert worden. Ein Augenzeuge berichtete, die Krönung hätte eine so begeistert jubelnde Menge angelockt, dass sich die Königin Eleonore, jung und schön, nur mit Mühe einen Weg hätte bahnen können. Feuerwerke, Schauspiele, Bankette und Tänze wären dem Spektakel gefolgt, und aus den Springbrunnen der Stadt wäre weißer und roter Wein geflossen.
Es gab wohl auch ein Lanzenstechen, das der älteste Sohn des Kaisers, der neunzehnjährige Erzherzog Ferdinand, gewonnen hatte. Er sollte der erste Erbkönig von Böhmen unter einer neuen Verfassung sein, und sein Sieg ließ die Bevölkerung tatsächlich jubeln. Der plötzliche Wohlstand und die allgemeine Trunkenheit hatten die überfüllte Stadt betäubt. Die Gastwirte der
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