Das Komplott der Senatoren (German Edition)
hatte.
Aber in diesem Jahr war alles anders. Die Schwierigkeiten hatten bereits an seinem Arbeitsort in Senegal angefangen. Um ein Haar wäre der Überfall aus Mali zu einem blutigen Wasserkrieg eskaliert, hätten die Vermittler aus Frankreich nicht im letzten Moment das Schlimmste verhindert. Die Truppen hatten sich zwar jetzt wieder aus der Grenzregion zurückgezogen und das Feld den UNO Schutztruppen überlassen, aber der Friede stand auf wackligen Füssen. Verständlich, dass die Regierung in D a kar äußerst nervös und vorsichtig operierte. Für die Ein- und Ausreise benötigte man eine Sondergenehmigung des Justizmini s teriums, und die hatte er nur dank den guten Verbindungen seines Arbeitgebers Mamot erha l ten, wenn auch mit zwei Wochen Verspätung.
Nun stand er mit ungefähr einer Million anderen Gestrandeten vor dem Terminal und wartete auf einen Platz im Shuttlebus zum Bahnhof einer Stadt, die er nie besuchen wollte. Die Flughäfen von Schanghai waren seit gestern Abend geschlossen. Nach den spärlichen Info r mationen zu schließen, litt die Stadt unter den Auswirkungen eines verheerenden Sand- und Staubsturms, der seinen Ursprung im Lössplateau des zentralen Hochlands hatte und weite Teile des südöstlichen China heimsuchte. Solche Stürme kannte er aus der Gegend von Be i jing, tausend Kilometer weiter nördlich. Er konnte sich nicht erinnern, dass dieser feine Sand, der ursprünglich aus den mo n golischen Steppen und der Wüste Gobi stammte, je soweit in den Süden getragen wurde. Es war wohl kein Zufall, dass dieses Phänomen gerade im Jahr des weltweit ausbleibenden Sommermonsuns zum ersten Mal auftrat. Er war nur ein ei n facher Chemiker, kein Klimaforscher, aber der gesunde Menschenverstand hinderte ihn d a ran, an solche Zufälle zu glauben.
Die Eisenbahn war die einzige Verbindung nach Schanghai, die noch einigermaßen zuverlä s sig funktionierte. Der Schnellbus hatte den Betrieb eingestellt, Mietautos waren nicht zu bekommen, und Taxis fuhren nicht in die zweihundert Kilometer en t fernte Metropole. Als er endlich im Zug saß, traute er seinen Augen nicht.
»Ist dies wirklich der Schnellzug nach Schanghai?«, fragte er verwirrt, denn der Zug war halbleer.
Der Schaffner nickte stumm und gab das Zeichen zur Abfahrt. Die Wagen, die eben aus der Gegenrichtung in den Bahnhof rollten, boten ein ganz anderes Bild. Sie waren bis auf den letzten Stehplatz besetzt, und wie es schien, stapelte sich das Gepäck bis zu den Fenstern der Ausgänge. Ein Exodus, dachte er unwillkürlich. Es sah aus, als wäre die ganze Bevölkerung auf der Flucht in den Westen, und der Eindruck ve r stärkte sich noch, je näher das Ziel rückte. Die breite Ausfallstrasse nach Huhang war hoffnungslos verstopft. Lastwagen, auf deren Ladeflächen sich Leute drängten, Kleinwagen wie fahrende Pagoden mit ihren abenteue r lichen Gepäcktürmen auf den Dächern. Alle Fahrspuren dicht bepackt mit Autos, selbst auf dem Pannenstreifen ging gar nichts mehr. Der Zug fuhr nur noch im Schritttempo. Ihm blieb genügend Zeit, sich das Spektakel genau anzusehen. Zuerst hatte er es nicht bemerkt, aber jetzt fiel ihm auf, dass sich der Himmel rasch verfärbte. Das Blau verblasste, gelber Rauch schien sich über die Landschaft zu legen. Der Horizont begann zu verschwimmen, die Farben der Felder, Sträucher und Häuser verwandelten sich in Orange- und Pu r purtöne. Die Gespräche im Wagen verstummten, eine unheimliche Stille kehrte ein. Alle Augen schauten in die fremde, rote Welt hinaus, die bald genauso aussah, wie man sich eine Landschaft auf dem Mars vorstellte.
Quan erschrak, als er aus dem Zug stieg. Sein Atem stockte, denn die nach A b gasen stinkende, staubige Luft war heiß und trocken und brannte in der Nase. Eilig drückte er ein Taschentuch aufs Gesicht, um wenigstens den gröbsten Staub und Dreck von seiner Lunge fernzuhalten. Taxis, sonst das bequemste und beliebteste Transportmittel der Stadt, sah er hier keine, und die Hochbahn der Linie 3, die ihn praktisch vor seiner alten Haustür in Putuo abgesetzt hätte, stand still.
Blieb nur die Hoffnung auf die Linie 1 zum Hauptbahnhof. Vielleicht ließ sich dort ein Taxi auftreiben, sonst würde er die fünf Kilometer notfalls zu Fuß schaffen. Er schimpfte und hustete, versuchte möglichst wenig zu atmen, während er in großen Sprüngen zur Metrost a tion hinunter rannte.
Hier im Untergrund spürte man nichts mehr von der stickigen,
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