Das Komplott der Senatoren (German Edition)
vollautomatisch.«
»Unsere Kernkompetenz, wie Sie wissen«, warf Alicia spöttisch ein.
Lee beachtete sie nicht. Ihn faszinierte die Arbeitsweise dieser seltsamen chemischen Fabrik. »Was hat das organische Material mit der Herstellung von Schwefelwas s erstoff zu tun?«
»Warten Sie, ich zeig’s Ihnen.«
Sie gingen in den Kontrollraum zurück und betraten einen Bereich, der zur gegenübe r liegenden Bienenwabe gehörte. Er war schlicht mit ›H2S‹ angeschrieben. Die Einrichtung des Raums erinnerte nur entfernt an eine chemische Fabrik. Ein he r metisch verschlossener Stah l tank stand in der Mitte. Dahinter eine Reihe kugelrunder, raumhoher Gasbehälter und da z wischen ein erstaunlich übersichtliches Netz von Rohren, Filtern, Gaswaschanlagen und Ä h nlichem, dessen Zweck er nicht erriet.
»Der große Tank ist ein Bioreaktor. Wir verwenden ein Sulfat-reduzierendes Bakt e rium, Desulfovibrio, das dieses weiße Pulver dort drüben mit Hilfe des Kohlenstoffs der Algen in Schwefelwasserstoff und Kalk verwandelt.«
»Der Gips!«, rief Marion aus, sichtlich erleichtert, endlich zu wissen, wo die Reise des Mat e rials aus dem Kohlekraftwerk endete.
»Der Kalk?«, fragte Lee, ohne sich wirklich für die Antwort zu interessieren. Er b e wunderte die Eleganz des Verfahrens, ob er wollte oder nicht. Der Chemiker zeigte nach oben und grinste:
»Einige der Hügel, die sie oben sehen, stammen von uns. Es lohnt nicht, den Kalk abzutran s portieren und zu verkaufen.«
»Wie kommt der Gips hierher?«, wollte Marion wissen. Warum war ihm diese Frage nicht selbst eingefallen? Wo Gips hereinkommt müsste es auch einen Ausgang aus diesem Höhle n system geben. Er begrub den Gedanken jedoch schnell wieder, als er die Antwort hörte:
»Eine Art unterirdischer Staubsauger, der den Gips aus den Containern an der Strasse a b saugt.«
Marion warf ihm einen verstohlenen Blick zu: nicht der Notausgang, den sie suchten. Sie rümpfte die Nase, schielte zur Tür. »Hier stinkt’s bestialisch«, klagte sie.
»Das sind kleinste Mengen H2S, verzeihen Sie, Schwefelwasserstoff. Er riecht pen e trant nach faulen Eiern. Wenn hier die Lüftung ausfällt, steigt die Konzentration sehr schnell an. Wir wären in wenigen Minuten tot.«
»Wie praktisch«, bemerkte sie zynisch zu Alicia, die wie eine Schwarze Witwe hinter ihnen lauerte, jederzeit bereit, zuzupacken. Für Lee nahm das Bild allmählich Gestalt an. Das Wichtigste war, so schnell wie möglich heil aus dieser Falle zu entwischen, aber seine Neugier war noch nicht ganz befriedigt. Ein wesentliches Teilchen des Puzzles fehlte noch. Beim Verlassen des Moduls sprach er den Chemiker darauf an:
»Wie gelangt das Gas in die Stratosphäre?«
»In die Grenzschicht zwischen Troposphäre und Stratosphäre«, korrigierte Petit. »Auch dafür haben wir eine sehr effiziente Methode entwickelt. Wir füllen ein Gemisch aus H2S und Wasserstoff mit einem genau bemessenen Druck in Ballone, ähnlich den Wetterballonen. Die lassen wir nachts aufsteigen, und sobald der Au s sendruck der Atmosphäre einen bestimmten Wert unterschreitet, platzen sie und se t zen das Gas frei. Das geschieht über vier Pumpstationen, oder Aggregate, wie wir sagen. Jede schafft zweieinhalbtausend pro Nacht. Immer wieder ein eindrückliches Schauspiel, wie die zehntausend Ballone aus den Kratern aufsteigen.«
»Total verrückt«, murmelte Lee kopfschüttelnd. Weltweit mussten das vierzig- oder fünfzigtausend Stück sein, vielleicht zehn, fünfzehn Millionen jedes Jahr, ein unvo r stellbar gigantisches Unternehmen. Und eine unbeschreibliche Schweinerei. »Ba l lone! Und die lasst ihr einfach als Plastikmüll vom Himmel fallen?«, entrüstete er sich.
Petit schien den Einwand erwartet zu haben. Er schmunzelte zufrieden, als er mit hörbarem Stolz antwortete: »Das wäre unverzeihlich, da muss ich Ihnen recht geben. Aber die Ballone sind eine raffinierte Spezialentwicklung, die das Team von Woo Quan hier perfektioniert hat. Das Material besteht aus vollständig und rasch a b baubarer Zellulose, die wir ebenfalls aus unseren Algen erzeugen.« Er deutete auf die Tür des benachbarten Moduls, die mit ›Polymer‹ bezeichnet war. »Die Algen liefern übrigens auch den Wasserstoff, den wir benötigen, um den Ballonen den richtigen Auftrieb zu geben. Folgen Sie mir, ich werde Ihnen die ganze Kette zeigen, von der Methanerzeugung über das Blockheizkraftwerk
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