Das Komplott (German Edition)
keiner konsumierte es in solchen Mengen wie Quinn –, und griffen ein. Mein Bruder Dee Ray und ich fuhren ihn in eine Entzugsklinik in der Nähe von Akron, Ohio, eine Einrichtung mit strengsten Regeln für schwer Süchtige. Ohne Gerichtsbeschluss war eine Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung eigentlich nicht möglich, aber im Grunde lief es darauf hinaus. Quinn war seit einundzwanzig Tagen dort, als die Leichen von Richter Fawcett und seiner Sekretärin am 7. Februar aufgefunden wurden.« Sie nimmt eine Mappe aus ihrem Aktenkoffer und legt sie auf Shivers Schreibtisch. »Die Unterlagen sind alle hier. Weil er aus dem Gefängnis geflohen war, wurde er unter falschem Namen aufgenommen: als Mr. James Williams. Wir leisteten eine Anzahlung von zwanzigtausend Dollar in bar, daher hatte die Klinik keine Einwände. Es wurde nicht allzu intensiv nachgefragt. Im Rahmen einer gründlichen körperlichen Untersuchung wurde unter anderem ein großes Blutbild erstellt, daher lässt sich anhand der DNA nachweisen, dass Quinn zum Zeitpunkt der Morde in der Einrichtung war.«
»Seit wann wissen Sie das?«
»Ich kann Ihnen nicht alle Fragen beantworten, Mr. Shiver. In unserer Familie gibt es viele Geheimnisse und wenige Antworten.«
Shiver fixiert sie, und sie erwidert seinen Blick gelassen. Er weiß, dass er aus ihr nichts herausbekommen wird, und das ist im Augenblick auch nicht so wichtig. Er hat gerade einen wichtigen Sieg über die Staatsanwaltschaft errungen und ist jetzt schon hochzufrieden. »Warum hat er gestanden?«
»Warum gesteht jemand ein Verbrechen, das er nicht begangen hat? Ich weiß es nicht. Quinn leidet unter einer schweren bipolaren Störung und weiteren Beeinträchtigungen. Das FBI hat ihn zehn Stunden lang gegrillt und alle schmutzigen Tricks aus seinem Arsenal genutzt. Wie ich Quinn kenne, war es für ihn nur ein Spiel. Wahrscheinlich hat er ihnen gesagt, was sie hören wollten, damit sie ihn in Ruhe ließen. Vielleicht hat er sich eine absurde Geschichte ausgedacht, um sie zu beschäftigen. Ich weiß es nicht. Erinnern Sie sich an das Lindbergh-Baby, an die berühmteste Entführung aller Zeiten?«
»Ich habe natürlich davon gelesen.«
»Nun, mindestens hundertfünfzig Menschen haben das Verbrechen gestanden. Es ergibt keinen Sinn, aber Quinn tut manchmal verrückte Dinge.«
Shiver öffnet die Mappe. Sie enthält einen Bericht über jeden Tag, den Quinn in der Einrichtung verbracht hat, vom 17. Januar bis zum 7. Februar, dem Montag, an dem die Leichen von Richter Fawcett und Naomi Clary aufgefunden wurden.
»Hier steht, er hat die Einrichtung am Nachmittag des 7. Februar verlassen«, sagt Shiver, während er die Unterlagen überfliegt.
»Das ist richtig. Er ist abgehauen, hat sich abgesetzt und ist irgendwie in Roanoke gelandet.«
»Und wieso ausgerechnet in Roanoke, wenn ich fragen darf?«
»Wie gesagt, Mr. Shiver, es gibt nicht auf alle Fragen eine Antwort.«
»Er taucht also am Tag, nachdem die Leichen gefunden werden, in Roanoke auf, geht in eine Bar, betrinkt sich, wird in eine Schlägerei verwickelt und verhaftet, wobei jede Menge Bargeld bei ihm gefunden wird. Da ist aber noch vieles offen, Miss …«
»Das stimmt, und im Laufe der Zeit wird sich das wohl klären. Im Augenblick ist es aber irrelevant, würde ich meinen. Wichtig ist, dass es eindeutige Beweise für Quinns Unschuld gibt. Abgesehen von dem erzwungenen Geständnis hat die Staatsanwaltschaft nichts gegen meinen Bruder in der Hand, sehe ich das richtig?«
»Richtig. Es gibt keine objektiven Beweise, nur ein höchst verdächtiges Verhalten. Warum zum Beispiel war er in Roanoke? Wie ist er dorthin gekommen? Wo hat er all das Bargeld her? Wo hat er die gestohlenen Waffen gekauft? Viele Fragen, Miss, aber ich nehme an, die können Sie mir nicht beantworten.«
»So ist es.«
Shiver verschränkt die Hände hinter dem Kopf und starrt an die Decke. »Ich muss das natürlich überprüfen«, sagt er nach einer langen Pause. »Ich muss das Personal der Entzugsklinik befragen, mir eidesstattliche Erklärungen unterschreiben lassen und so weiter. Das FBI wird sich nicht geschlagen geben, solange die Akte nicht dick genug ist, dass wir sie ihnen um die Ohren hauen können. Ich brauche noch einmal fünfundzwanzigtausend Dollar.«
»Ich rede mit Dee Ray darüber«, erwidert sie, ohne zu zögern.
»In zwei Wochen findet die Vorbesprechung zur Verhandlung statt. Ich würde die Abweisung der Klage gern vor der Besprechung
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