Das Komplott (German Edition)
First Coast Trust. Als sich die Türen um neun Uhr öffnen, schlendere ich mit einer leeren Reisetasche, die ich hinter mir herziehe, so lässig wie möglich herein und flirte mit den Angestellten. Ein ganz normaler Sonnentag in Florida. Sobald ich im Tresorraum allein in der Kabine bin, nehme ich zwei Lavo-Zigarrenkisten aus der Kassette und verstaue sie vorsichtig in der Reisetasche. Wenige Minuten später fahre ich ein paar Straßen weiter zu einer Filiale von Jacksonville Savings. Als dieses Schließfach ebenfalls geräumt ist, lege ich bei der Wells-Fargo-Zweigstelle in Atlantic Beach meinen letzten Stopp ein. Um zehn bin ich wieder auf der Interstate 95 unterwegs nach Washington – mit zweihunderteinundsechzig Goldbarren im Kofferraum. Nur die fünf, die ich Hassan verkauft habe, um mir Bargeld zu beschaffen, fehlen.
Es ist fast Mitternacht, als ich das Stadtzentrum von Washington erreiche. Ich gestatte mir einen kurzen Umweg über die First Street, wo ich das Gebäude des Obersten Gerichtshofs passiere und mich frage, wie das richtungsweisende Verfahren Armanna Mines gegen den Commonwealth of Virginia wohl ausgehen wird. Mindestens einer der Anwälte hat einmal das Zimmer eines Bundesrichters mit schmutzigem Bestechungsgeld besudelt. Dieses Geld befindet sich jetzt im Kofferraum meines Autos. Was für eine Reise. Ich bin fast versucht, am Straßenrand zu halten, einen Minibarren herauszuholen und damit eines der imposanten Fenster einzuwerfen.
Aber ich beherrsche mich. Ich fahre um die Union Station herum, lasse mich vom Navi zur First Street bringen und folge dieser bis zur Ecke Fifth. Als ich das Auto vor dem Gebäude abstelle, kommt Mr. Quinn Rucker die Treppe heruntergehüpft, das breiteste Grinsen im Gesicht, das ich je gesehen habe. Wir umarmen uns ausgiebig und innig.
»Wieso hat es so lange gedauert?«, fragt er.
»Ich bin so schnell wie möglich gekommen.«
»Ich wusste, dass du kommst, Bruder. Ich habe nie an dir gezweifelt.«
»Ich schon, und zwar ziemlich oft.«
Wir können es beide nicht fassen, dass wir auf ganzer Linie gesiegt haben, und sind von unserem Erfolg überwältigt. Wir umarmen uns erneut und stellen fest, dass wir beide sehr dünn geworden sind. Ich freue mich darauf, endlich wieder essen zu können. Quinn hat keine Lust mehr, den Irren zu spielen.
»Das dürfte dir nicht schwerfallen«, sage ich.
Er packt mich an den Schultern und mustert mein neues Gesicht. »Du siehst ja richtig niedlich aus.«
»Ich gebe dir den Namen des Arztes. Kann dir auch nicht schaden, wenn du dich ein bisschen verschönern lässt.«
Quinn Rucker ist der beste Freund, den ich je hatte, und die Stunden, die wir in Frostburg damit verbrachten, unseren Plan auszuhecken, scheinen jetzt wie ein Traum aus alter Zeit. Damals glaubten wir daran, weil er unsere einzige Hoffnung war, aber im tiefsten Inneren konnten wir uns nie ernsthaft vorstellen, dass er funktionieren würde. Arm in Arm erklimmen wir die Stufen und gehen in die Wohnung. Ich umarme und küsse Vanessa, dann stelle ich mich Dee Ray noch einmal vor. Wir sind uns vor Jahren im Besucherzimmer in Frostburg kurz begegnet, als er seinen Bruder besuchen kam, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn auf der Straße erkennen würde. Das macht nichts, wir sind jetzt blutsverwandt, Bande, die durch Vertrauen und Gold gefestigt sind.
Die erste Flasche Champagner wird in vier Waterford-Kelche ausgeschenkt – Dee Ray hat einen exklusiven Geschmack –, und wir lassen ihn uns schmecken. Dee Ray und Quinn stecken Waffen ein, und wir entladen in aller Eile mein Auto. Die Party, die dann folgt, wäre zu absurd für jeden Fantasy-Film.
Der Champagner fließt in Strömen, auf dem Fußboden stapeln sich mitten im Wohnzimmer die Goldbarren, alle fünfhundertvierundzwanzig, und wir sitzen auf Kissen um unseren Schatz herum. Wir können den Blick nicht davon abwenden und versuchen nicht einmal, das Lachen zu unterdrücken. Da ich der Anwalt und inoffizielle Anführer bin, leite ich den geschäftlichen Teil der Besprechung mit einigen einfachen Berechnungen ein. Wir haben fünfhundertvierundzwanzig Minibarren vor uns liegen, fünf wurden an den syrischen Goldhändler in Miami verkauft, einundvierzig liegen sicher im Tresor einer Bank auf Antigua. Insgesamt haben wir unserem lieben Freund Nathan fünfhundertsiebzig abgenommen, mit einem Wert von rund 8,5 Millionen Dollar. Laut Vereinbarung stehen Dee Ray siebenundfünfzig der schimmernden kleinen Barren zu.
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