Das Komplott (German Edition)
Fortschritte gemacht wurden, hatten alle das Gefühl, dass sie länger hier sein würden. Abgesehen von einer kurzen Liste mit willkürlich ausgesuchten Verdächtigen, die alle als gewalttätig bekannt waren und in den letzten achtzehn Jahren vor Fawcett im Gerichtssaal gestanden hatten, gab es keine echten Spuren. Ein Mann namens Stacks hatte dem Richter 2002 vom Gefängnis aus einen Drohbrief geschrieben. Ermittlungen ergaben, dass Stacks in einem Spirituosengeschäft in Panama City Beach, Florida, arbeitete und für das Wochenende, an dem der Richter und Ms. Clary ermordet worden waren, ein Alibi hatte. Stacks war seit mindestens fünf Jahren nicht mehr in Virginia gewesen. Ein Drogenboss namens Ruiz hatte den Richter auf Spanisch verflucht, als er 1999 von diesem zu zwanzig Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Ruiz saß immer noch in einem Gefängnis mit mittlerer Sicherheitsstufe, aber nachdem sich das FBI ein paar Tage durch seine Vergangenheit gewühlt hatte, war klar, dass sämtliche Dealer seiner früheren Organisation, die das Koks für ihn verteilt hatten, entweder tot oder ebenfalls im Gefängnis waren.
Ein Team ging jeden einzelnen Fall durch, den Fawcett in seinen achtzehn Jahren auf der Richterbank verhandelt hatte. Er war ein richtiges Arbeitspferd gewesen und hatte dreihundert Fälle pro Jahr verhandelt, sowohl Zivil- als auch Strafsachen, wohingegen der Durchschnitt für einen Bundesrichter bei zweihundertfünfundzwanzig Fällen liegt. Richter Fawcett hatte etwa dreitausendeinhundert Männer und Frauen ins Gefängnis geschickt. Ein anderes Team, das der zugegebenermaßen auf schwachen Füßen stehenden Vermutung nachging, dass der Killer des Richters einer oder eine dieser Verurteilten war, verbrachte unzählige Stunden damit, der Liste möglicher Verdächtiger Namen hinzuzufügen und sie nach einer Weile wieder zu streichen. Wieder ein anderes Team nahm sich die Fälle – sowohl Zivil- als auch Strafsachen – vor, die zum Zeitpunkt des Mordes an dem Richter von diesem verhandelt, aber noch nicht entschieden worden waren. Und ein weiteres Team verbrachte seine gesamte Arbeitszeit mit dem Prozess von Armanna Mines, wobei es ein paar Öko-Extremisten, die Fawcett nicht ausstehen konnten, besondere Aufmerksamkeit schenkte.
Von dem Moment an, in dem der Gefrierschrank zu arbeiten begann, war er ein summendes Bienenhaus, in dem die Anspannung mit Händen zu greifen war – mit dringenden Besprechungen, zerrütteten Nerven, Sackgassen im Stundentakt, Karrieren auf der Kippe und immer jemandem aus Washington, der herumbrüllte. Die Presse blockierte die Telefonleitungen. Die Blogger heizten den Medienwahnsinn noch weiter an, indem sie kreative und ganz offensichtlich falsche Gerüchte verbreiteten.
Und dann kam ein Häftling namens Malcolm Bannister ins Spiel.
Der Leiter der Taskforce war Victor Westlake, der in seinen dreißig Jahren beim FBI eine Bilderbuchkarriere hingelegt hatte und im Hoover Building in der Pennsylvania Avenue in Washington, D. C., ein schönes Büro mit einer schönen Aussicht besaß. Seit fast drei Wochen verkroch er sich allerdings in einem frisch gestrichenen, fensterlosen Raum mitten in der Einsatzzentrale. Es war nicht sein erster Außeneinsatz. Westlake hatte sich vor Jahren einen Namen als begnadeter Organisator gemacht, der zum Tatort eilen, die Truppen aufstellen, unzählige Details im Auge behalten, den Angriff planen und das Verbrechen lösen konnte. Einmal hatte er ein Jahr in einem Motel in der Nähe von Buffalo verbracht und sich an ein Genie herangepirscht, dessen Hobby es offenbar war, Paketbomben an Fleischkontrolleure zu schicken. Es war leider das falsche Genie. Doch Westlake machte nicht den Fehler, seine Beute zu verhaften. Zwei Jahre später schnappte er sich den Paketbomber.
Westlake war gerade in seinem Büro und stand wie immer am Schreibtisch, als die Beamten Hanski und Erardi eintraten. Da ihr Chef stand, blieben sie ebenfalls stehen. Er war der Meinung, es sei ungesund, wenn nicht gar tödlich, stundenlang an einem Schreibtisch zu sitzen.
»Okay, ich höre«, bellte er, während er mit den Fingern schnippte.
»Der Typ heißt Malcolm Bannister, ein Schwarzer, dreiundvierzig Jahre alt, sitzt für zehn Jahre wegen RICO -Verstößen, Bundesgericht in D. C., ehemaliger Anwalt aus Winchester, Virginia. Behauptet, dass er uns den Namen des Killers geben kann, zusammen mit dem Motiv, aber er will natürlich raus aus dem Gefängnis«, ratterte Hanski
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