Das Kopernikus-Syndrom
perfekt. Er hat mich schon mehrere Male vor großem Ärger bewahrt. Wenn die Dinge sich schlecht entwickeln, hätte ich gern, dass er Sie überallhin begleitet. Sind Sie einverstanden?«
Ich zuckte die Schultern.
»Ein Leibwächter? Ich weiß nicht, ob ich einen brauche. Ich verteidige mich ganz gut. Ich besitze ungeahnte Kräfte«, sagte ich mit spöttischem Lächeln.
»Ja, aber es ist ein Unterschied, ob Sie mich in einer Wohnung in Nizza k. o. schlagen oder sich gegen eine Bande aufgebrachter Söldner zur Wehr setzen müssen. Wenn unsere Feinde wirklich so sind, wie wir es uns vorstellen, sind wir in echter Gefahr. Vigo, bitte, versprechen Sie mir: An dem Tag, an dem ich es Ihnen sage, lassen Sie sich von unserem Freund begleiten, bitte.«
»Wir werden sehen. Noch sind wir nicht so weit.«
Louvel stieß einen Seufzer aus. Seine väterliche Art war rührend, aber er wusste natürlich nicht, dass mich meine persönliche Sicherheit wenig interessierte.
Ich trank einen Schluck Bier und musterte den Hacker. Sein Blick verriet echte Sympathie, ein kleines vertrauenerweckendes Ich-weiß-nicht-was.
»Damien, wissen Sie, was mich freuen würde?«, sagte ich. Ich hatte den Blick gesenkt, als betrachte ich den Schaum meines Biers.
»Ich glaube, ich kann's mir denken.«
Ich blickte wieder auf. Ja, er wusste es. Er verstand mich vielleicht besser als ich mich selbst.
»Ich weiß heute nicht mehr, was mir das Wichtigste ist. In dieser Angelegenheit die Wahrheit zu finden oder sie wiederzufinden.«
»Vielleicht schaffen wir beides. Vigo, ich verspreche Ihnen, wenn das alles vorbei ist, helfe ich Ihnen, sie wiederzufinden.«
Ich lächelte dankbar.
»Ich hoffe nur, dass sie mich wiedersehen möchte.«
Damien sagte nichts. Stille herrschte, und wir tranken unser Bier im abnehmenden Tageslicht aus. Seine Schweigsamkeit verriet eine geheime Traurigkeit, einen alten Schmerz. Im Leben dieses einsamen Mannes gab es eine Frauengeschichte. Eine Geschichte, sicher ein Drama, die ihn fürs Leben gezeichnet hatte. Ich war mir fast sicher, dass seine eifrige Hingabe an die Gruppe SpHiNx für ihn ein Mittel bedeutete, zu vergessen oder vielleicht jeden Tag diese alte Wunde zu lecken, die sowieso nicht heilen wollte. Vielleicht erklärte das alles die spontane Zuneigung, die wir füreinander empfanden.
Gegen 19 Uhr trafen wir uns wie verabredet mit Lucie im Aquarium.
»Freunde, setzt euch, ich habe Neuigkeiten.«
Louvel schob mir einen Stuhl hin und nahm schnell neben mir Platz. Ich spürte seine Ungeduld und konnte meine eigene kaum bezähmen.
»Erstens hat mir Sak ein komplettes Dokument über die Grande Arche geliefert, mit allen wichtigen Informationen. Einige haben meine Aufmerksamkeit erregt.«
So wie sie sprach, hatte sie offensichtlich etwas Sensationelles gefunden, wollte es aber noch ein bisschen spannend machen. Ich hoffte, dass ich mich nicht täuschte. Allmählich drehten wir uns im Kreis.
»Vor allem«, fuhr sie fort, »muss man wissen, dass der vollständige Name dieses Gebäudes La Grande Arche de la Fraternité lautet. Hübsch, nicht wahr?«
»Ja, aber nun sag schon«, drängte Louvel, der es nicht mehr aushalten konnte.
»Bitte etwas Respekt! Nun, die ursprüngliche Bezeichnung wurde dann auf La Grande Arche gekürzt, aber stellt euch vor, dass das Gebäude so getauft wurde, weil es eine moderne Version des Triumphbogens darstellen soll, das heißt nicht mehr eine Hommage an militärische Siege, sondern eher an humanistische Ideale. Übrigens, humanistische und brüderliche Ideale: Hast du gewusst, dass die Abteilung der nationalen französischen Großloge in Puteaux, die traditionalistischste der Freimaurer, den Titel Paris Grande Arche trägt?«
»Nein. Ist das wirklich von Bedeutung? Und sag nicht, dass die Großloge von Frankreich etwas mit unserer Geschichte zu tun hat. Du willst uns doch sicher nicht weismachen, dass es um ein Komplott der Freimaurer geht?«
»Nein, nein. Ich dachte nur, dass es dich amüsieren würde, weil du ja öfter mit den Freimaurern dunkle Geschäfte machst.«
»Na schön. Gut, und dann?«, fragte Louvel ungeduldig.
Lucie zwinkerte mir zu.
»Damien ist ein Weltmann«, sagte sie in vertraulichem Ton. »Er verbringt seine Zeit damit, mit den Großen dieser Welt, dem Jetset, den Politikern, den oberen Zehntausend und sogar mit Mannequins zu klüngeln.«
Louvel schüttelte den Kopf.
»Ich pflege unsere Informationsquellen, das ist alles«, verteidigte er sich. »Und du
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