Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kopernikus-Syndrom

Das Kopernikus-Syndrom

Titel: Das Kopernikus-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
Vom Netzwerk:
er erkannt hätte, was ich versuchen wollte.
    »Nicht einmal im Traum«, murmelte er spöttisch und zeigte auf seinen Kopfhörer.
    Ich begriff sofort. Dermod hatte sich mit seiner Erfindung gebrüstet. Die Dinger, die die Soldaten trugen, waren keine einfachen Sender und Empfänger. Auf die eine oder andere Art verhinderten sie, dass die Gedanken Transkranieller zu hören waren. Hier in der Dunkelheit des Waldes war ich ein Mann wie jeder andere. Ein Sklave meiner fünf Sinne, nichts weiter.
    Er richtete erneut seine Waffe auf mich, dann drückte er auf seinen Kopfhörer.
    »Raven 2 an Zentrale, antworten.«
    Die Hände über den Kopf erhoben, versuchte ich unauffällig, einen Blick auf die andere Seite des Walds zu werfen und Ausschau nach Badjis Männern zu halten. Aber nichts rührte sich. Kein Schatten, kein Geräusch. Sie hatten sicherlich unsere Spur verloren. Ich war allein, auf mich selbst gestellt. Oder genauer gesagt, dem Feind ausgeliefert.
    Der Söldner wiederholte seine Durchsage.
    »Raven 2 an Zentrale, antworten.«
    Ich spürte, dass mir Schweißperlen auf der Stirn standen. Ohne mir dessen richtig bewusst zu sein oder ohne es mir einzugestehen, begann die Angst mich zu überrollen. Eine instinktive Angst, verschärft durch den allzu starken Geruch des Todes, das nahende Ende. Ich wusste nicht, wie ich mich aus der Affäre ziehen sollte. Welch glücklicher Zufall konnte mich noch vor dem Tod retten? Es half nichts, dass ich mir einredete, dass dies keine Rolle mehr spielte, dass ich im Grunde genommen hier verrecken wollte, ein Teil von mir geriet unwillkürlich in tiefe Panik.
    Ich hatte es nicht derart eilig zu sterben. War nicht so neugierig auf den Tod.
    »Wir wurden beim Verlassen des Schlösschens angegriffen. Konnte die Geisel mitnehmen. Wir sind jetzt im Wald, fern vom Feuer. Ich höre.«
    Ich sah ihn an. Vielleicht konnte ich aus seiner Miene die Antwort erraten, die er erhalten würde.
    »Hier?«, fragte er und hielt meinem Blick stand. »Gut. Verstanden. Over.«
    Dann drückte er erneut auf seinen Kopfhörer.
    »Dreh dich um, Gesicht zum Baum.«
    Ich erstarrte. Die Absicht meines Gegners war eindeutig oder vielmehr der Befehl, den er erhalten hatte. Meine Stunde war gekommen.
    Nach all diesen Kämpfen, diesen Fluchten, diesen endlosen Wettläufen, nach all diesem Weg, diesen Entdeckungen würde ich also jetzt hier sterben, unter dem gleichgültigen Blick jahrhundertealter Bäume. Das war also der Preis der Wahrheit: die Bestrafung dessen, der wissen wollte. Ich war Prometheus, den Adlern ausgeliefert. Somit hätte ich nicht lange die süße Frucht des Wissens gekostet. Aber zumindest würde ich nicht im Zweifel sterben. Ich hatte meine Antwort erhalten, meine Belohnung. Man konnte mir das Leben nehmen, aber nicht meine Gewissheiten. Zumindest sagte ich mir diese tröstenden Worte vor meinem letzten Atemzug vor. Und ich hatte die Hoffnung, dass Louvel der Welt die Wahrheit kundtun könnte, die mich das Leben kostete.
    »Dreh dich um, Dreckskerl.«
    Als der Söldner sah, dass ich mich immer noch nicht rührte, kam er auf mich zu, um mir einen Fußtritt mitten ins Gesicht zu versetzen.
    Es war meine letzte Chance. Ein letzter Kampf.
    Ich setzte alles auf eine Karte.
    Mit einer ruckartigen Geste fing ich seinen Fußtritt ab und umklammerte sein Bein in der Luft. Ich stieß ihn brutal zurück, so dass er das Gleichgewicht verlor. Ich warf mich sofort auf ihn und drückte mit einer Hand sein Handgelenk auf den Boden, und mit dem Knie hielt ich seinen anderen Arm fest. Dann richtete ich mich auf und verpasste ihm einen Faustschlag mitten ins Gesicht. Er gab einen Schmerzenslaut von sich. Ich ließ ihm nicht die Zeit, sich wieder zu besinnen, und versuchte, ihn zu entwaffnen, indem ich sein Handgelenk gegen den Boden schlug. Zweimal.
    Beim zweiten Mal klappte es.
    Seine Hand schlug auf einen Stein, und der Schmerz bewirkte, dass er die Hand öffnete und seine Waffe losließ. Aber es war ihm inzwischen gelungen, den anderen Arm zu befreien, und er schlug zurück, ohne dass ich den Schlag abwehren konnte. Seine Faust traf mich voll an der Schläfe. Mein Blick trübte sich, ich sah einen hellen Blitz. Ich glaubte, ich verliere das Bewusstsein.
    Er versetzte mir einen Schlag in die Nieren und zwang mich unter sich. Ich wälzte mich in dem Laub. Als ich wieder den Kopf hob, sah ich, wie er aufstand. Ich streckte die Hand aus, um vor ihm die Waffe zu ergreifen. Er trat den Revolver zur Seite, und dieser

Weitere Kostenlose Bücher