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Das Kopernikus-Syndrom

Das Kopernikus-Syndrom

Titel: Das Kopernikus-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
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weit geschnittenen Anzug. Eine braune Aktentasche hatte er unter den Arm geklemmt, und er zeigte den blasierten Blick und die gehetzten Gesten eines Geschäftsmanns.
    »Ich danke Ihnen für dieses Treffen.«
    »Gehen wir weiter.«
    Der Anwalt schien unter Stress zu stehen. Wir folgten ihm auf die andere Seite des Boulevards. Dann führte er uns etwas weiter in eine kleine Straße. Er sah sich nach allen Seiten um, dann blickte er mir intensiv in die Augen.
    »Darf ich fragen, wie Sie heißen?«
    »Ich bleibe lieber anonym.«
    »Dann verabschiede ich mich auf der Stelle von Ihnen.«
    Der Anwalt machte auf dem Absatz kehrt. Ich hielt ihn am Arm zurück.
    »Warten Sie.«
    »Tut mir leid, aber bei einem Fall wie diesem habe ich keine Lust, mich mit einem Unbekannten zu unterhalten. Ich muss wissen, mit wem ich es zu tun habe.«
    »Ich kann Ihnen meinen Namen nicht nennen«, erklärte ich. »Ich stecke bereits zu tief in dieser Geschichte.«
    »Ich kann Ihnen versprechen, dass ich Ihren Namen niemandem verraten werde. Ich habe das Recht, meine Quellen zu schützen.«
    »Wie kann ich da sicher sein?«
    »Gegenseitiges Vertrauen. Sie werden es sehen.«
    Ich wandte mich an Agnès und warf ihr einen fragenden Blick zu. Mit einem Nicken ermutigte sie mich, meinen Namen zu nennen. Die Idee gefiel mir nicht, aber ich musste das Vertrauen des Anwalts gewinnen.
    »Ich heiße Vigo Ravel.«
    Der Anwalt wirkte skeptisch.
    »Ravel? Darf ich Ihren Ausweis sehen?«
    Ich runzelte die Stirn. »Wie bitte?«
    »Ich war bereit, mich mit Ihnen zu treffen, ohne die geringste fassbare Information zu haben und ohne zu wissen, wer Sie sind. Verzeihen Sie, aber ich glaube, ich habe das Recht, mich zumindest Ihrer Identität zu vergewissern.«
    Ich lächelte. Der gute Mann wusste nicht, dass ich selbst unfähig war, mich meiner Identität zu vergewissern. Er konnte die Ironie seiner Frage nicht begreifen. Ich nahm meine Brieftasche heraus und reichte ihm meine Papiere, auch wenn sie noch so unecht waren.
    »Gut. Und Madame?«
    »Agnès Fedjer. Ich bin Polizistin«, erklärte sie und zog ihren Ausweis heraus.
    Er wirkte überrascht.
    »Polizistin? Ist das ein Scherz?«
    »Nein. Ich bin privat hier«, erwiderte sie. »Ich helfe Monsieur Ravel.«
    Der Anwalt schüttelte den Kopf.
    »Tut mir leid, aber ich würde mich gern mit Ihnen unter vier Augen unterhalten, Monsieur Ravel.«
    »Warum?«
    »Sie scheinen sich der Lage nicht bewusst zu sein. Mein Mandant ist in Polizeigewahrsam, ich dürfte eigentlich gar nicht hier sein. Monsieur Reynald soll einen Terrorakt begangen haben, bei dem über zweitausendsechshundert Menschen umgekommen sind, und glauben Sie mir, die da oben machen keinen Spaß. Der Untersuchungsrichter sitzt mir im Nacken. Noch nie stand ich so unter Druck. Sie können sich vorstellen, dass ich keine große Lust habe, dass eine Polizistin an unserer Unterhaltung teilnimmt, egal, wie Sie zu Madame stehen.«
    Ich wollte gerade protestieren, aber Agnès griff nach meinem Arm und antwortete an meiner Stelle.
    »Kein Problem, ich verstehe. Vigo, ich warte im Café auf dich«, sagte sie und deutete auf eine Brasserie an der Ecke Boulevard du Palais und Rue de Lutèce.
    Sie entfernte sich eilig, ohne meine Antwort abzuwarten. Ich seufzte. Agnès' Anwesenheit wäre sehr beruhigend gewesen. Doch ich musste mich wohl allein durchkämpfen.
    »Nehmen Sie es mir nicht übel, aber die Situation ist äußerst heikel, und ich muss vorsichtig sein. Ehrlich gesagt weiß ich nicht einmal, weshalb ich mich auf ein Treffen mit Ihnen eingelassen habe. Ich hoffe, Ihre Informationen …«
    »Aber Monsieur«, fiel ich ihm ins Wort, »Sie wissen genau, warum Sie bereit waren, sich mit mir zu treffen.«
    »Ach ja?«
    »Ja.«
    Er schwieg. Ich war sicher, dass ich mich nicht getäuscht hatte. Am Tag zuvor hatte ihn sein Schweigen verraten, als ich die Praxis Mater erwähnte.
    »Sollen wir uns nicht besser in einem Café über alles unterhalten?«, schlug ich vor.
    »Nein«, erwiderte der Anwalt. »Aufgrund der Brisanz dieses Falls werde ich streng überwacht. Der Richter wirkt nicht so, als wolle er das Ganze auf die sanfte Tour regeln. Wir fahren eine Runde mit dem Auto, das ist sicherer.«
    »Im Auto?«
    »Ja, ich habe meinen Wagen dort drüben geparkt«, sagte er und deutete auf die entsprechende Stelle.
    Ich verzog den Mund. Die Vorstellung, in das Auto eines Fremden einzusteigen, dem ich ganz und gar nicht vertraute, gefiel mir nicht, aber ich schien keine

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