Das kostbare Opfer
vorgelagerten Verteidigungslinie, ihrer Schreibmaschine. Ich wußte,
daß ich den Lärm der Maschine nicht ertragen konnte. »Und wie war es bei
Ihnen?« fragte ich rasch. »Wie verbrachten Sie den Abend?«
»Ganz nett«, antwortete sie,
ohne ein Zeichen besonderer Begeisterung.
Ȇbrigens, zwei Sergeanten
warten auf Sie im Büro des Sheriffs, Leutnant«, sagte sie bissig. »Sie sind
schon seit neun Uhr da drinnen. Sie werden langsam müde geworden sein.«
»Okay«, sagte ich. »Wenn Sie
mir nicht darüber erzählen wollen, kann ich mir die Details denken.«
»Das dürfte Ihnen bei Ihrer Art
von Phantasie nicht schwerfallen«, sagte sie erhaben.
Ich betrat das Büro des
Sheriffs, das komischerweise immer etwas größer aussah, wenn Lavers nicht da
war. Selbst die Anwesenheit der Sergeanten, deren Körperfülle die beiden
Besuchersessel bis zum Rande ihrer Aufnahmefähigkeit füllte, beeinträchtigte
die räumliche Wirkung nicht.
Polniks häßliche Fratze verzog
sich zu einem freudigen Lächeln. »Hallo, Leutnant«, sagte er. »Haben wir ’nen
neuen Mord?«
»Das versuche ich ja
herauszufinden«, sagte ich ihm. Ich sah den zweiten Sergeanten an. »Wer sind
Sie?«
»Johns, Leutnant«, sagte er.
»Ich bin noch ziemlich neu hier. Bin erst seit sechs Wochen bei der Abteilung
des Sheriffs. Vorher war ich in San Francisco, bei der Mordabteilung.«
»Aha«, sagte ich freundlich und
setzte mich vorsichtig auf den Stuhl des Sheriffs.
Ich umriß den beiden kurz, was
sich zugetragen hatte. Sie wußten beide von Farnhams Tod. Ich berichtete ihnen
von Vince Malone und Edna Bright und, daß ich beide überwacht haben wollte.
»Malone?« sagte Johns. »Ich
erinnere mich an ihn. Es liegt nun schon sechs Jahre zurück. Er war einige
Monate in San Francisco. Wir nahmen ihn ein paarmal wegen Tatverdachts fest.«
»Gut, dann übernehmen Sie
Vince.« Ich gab ihm meine Privatnummer als Ergänzung zur Amtsnummer, und er
machte sich auf die Socken.
Ich zündete eine Zigarette an
und sah, wie sich ein seliges Lächeln auf Polniks Gesicht ausbreitete.
»Leutnant«, sagte er erwartungsvoll. »Heißt das, daß ich das Mädchen bekomme?«
»Vermutlich«, sagte ich.
»Ist sie ’ne Blonde, ’ne Augenweide?«
»Das kann man wohl sagen.«
»Mensch!« In seiner Stimme war
ein Unterton von Ehrfurcht. »Endlich klappt’s! Die ganze Zeit waren Sie es, der
die Mädchen bekam, und ich die Plattfüße. Danke, Leutnant. Vielen Dank.«
»Passen Sie nur auf und kommen
Sie ihr nicht so nahe, daß Sie ihr andauernd in den Hals atmen«, sagte ich.
»Sie könnte sich sonst erkälten und bettlägerig werden.«
»Auch dann werde ich sie nicht
aus dem Auge verlieren, Leutnant«, sagte Polnik mit hingebungsvoller Stimme.
»Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.«
»Gerade deshalb mache ich mir
Sorgen«, sagte ich düster. »Bevor der Fall abgeschlossen ist, werde ich Sie
festnehmen müssen, weil Sie jemand wegen Hausfriedensbruch angezeigt hat.«
Polnik lachte schallend, dann
verstummte er unvermittelt. »Sie machen doch nur Spaß, Leutnant! Huh?«
»Ich weiß nicht«, sagte ich.
»Denken Sie immer daran, was Ihre bessere Hälfte tun würde, wenn sie hörte, daß
Sie durch Schlüssellöcher geguckt haben.«
Polnik schüttelte sich.
»Vielleicht sollte ich lieber Malone übernehmen.«
»Sie nehmen sich Edna Bright.«
Und plötzlich wurde mir bewußt, was ich gesagt hatte. »Sie beschatten Edna
Bright«, korrigierte ich mich.
»Ist klar, Leutnant«, sagte er.
»Ich werde wie ein Schatten sein!«
»Wenn Sie das werden wollen,
dann müssen Sie mindestens achtzig Pfund abnehmen«, sagte ich. »Jetzt hauen Sie
ab, bevor ich es mir anders überlege.«
Schnellen Schrittes verließ
Polnik das Büro. Hoffnungsvoll durchstöberte ich Lavers’ Schreibtischschublade,
fand aber keine Zigarren. Ich zündete mir also noch eine Zigarette an und ging
ins Vorzimmer hinaus.
»Der Sheriff hat vor fünf
Minuten angerufen«, sagte Annabelle. »Er meint, er würde in zehn Minuten hier
sein, falls Sie etwas mit ihm zu besprechen hätten.«
»Vielen Dank. Gehe nicht zu deinem
Fürst, wenn du nicht gerufen wirst. Mir fällt gerade ein, daß ich am anderen
Ende der Stadt etwas Dringendes zu erledigen habe.«
Der Healy parkte draußen. Ich
entschloß mich, Eve Farnhams Chef aufzusuchen und fuhr also zu den
Geschäftsräumen von David Montello & Co. Die blonde Empfangssekretärin
schenkte mir ein Lächeln zur Begrüßung. Die Konturen ihres Pullovers waren
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