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Das Kreuz am Acker

Das Kreuz am Acker

Titel: Das Kreuz am Acker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Friedl
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Sie bitten, daß Sie das verstehen und die Straße ein Stückl tiefer legen, damit das Kreuz und der Feldrain bleiben können.“
    »Herr Bürgermeister, ich kann allein nicht bestimmen, aber ich werde mir das noch einmal genau überlegen. Die Straße schneidet dort in den Hang, und auf jeden Fall muß gegen das Kreuz hin abgeböscht werden. Wir dürfen andererseits aber diese Böschung nicht zu steil halten. Wieweit sich nun da etwas machen läßt, weiß ich jetzt noch nicht.«
    Der Bauer erhob sich. „ Tun Sie Ihr Möglichstes. Ich muß das bald wissen, und es muß beim Vermessen schon feststehen, daß der Stein mit dem Kreuz und mindestens anderthalb Meter Rain davor unberührt bleiben.“
    Damit wandte sich der Schwaiger zur Türe, und seine Strumpfsocken wischten auf den Bodenbrettern, als könnte er die bleischweren Füße nicht mehr heben.
    Kopfschüttelnd sah Wallenbeck ihm nach. Wie man wegen einem Stein in einem Acker und einem Kreuz so ein Getue machen kann! Nur weil es einige Meter verschoben werden soll! Komische Leute!
    Etwas aber war an dem Bauern, was ihn doch zum Nachdenken zwang. Dieser Mann war sicher ein guter und freundlicher Mitmensch, doch schien ihn etwas zu beschäftigen, was ihn unsicher und unwirsch, mißtrauisch und vielleicht auch böse machte.
    Der Ingenieur räumte die letzten Stücke in den Schrank, schob den Koffer unter die Bettstelle und machte sich reisefertig. Er stieg in die Stube hinunter, um sich zu verabschieden. Die Hand des Bürgermeisters spürte er kalt und ohne Druck in der seinen, und mit dem Wunsch »Gute Feiertage« wurde sie ihm schnell wieder entzogen. Die Hauserin war freundlich und steckte Wallenbeck drei rotgefärbte Eier in die Tasche.
    »Für Ihre Kinder«, meinte sie lächelnd. Da mußte auch er lachen und antwortete:
    »So lange werd ich sie wohl nicht aufheben können, denn vorerst hab ich noch keine!«
    »Sind’s dann am End gar net einmal verheiratet?« erfaßte die Hauserin die Gelegenheit, um von dem Gast mehr zu erfahren.
    »Nein, noch nicht!«
    »Da wird es aber Zeit!«
    Von der Barbara verabschiedete er sich mit einem kräftigen Händedruck und wünschte ihr, daß der Osterhase ein schönes Geschenk bringen möge.
    »Ein netter junger Herr«, bemerkte die Hauserin, als er gegangen war. Es gab ihr niemand darauf eine Antwort.
     
    Mit dem Gründonnerstag beginnen die Waldostern, und andachtsvolle Stille zieht in die Täler ein, in die Dörfer und Höfe. Die Arbeit ruht während der Leidenszeit des Herrn, und es wird nur getan, was nötig ist, um das Vieh zu versorgen. In den Dorfkirchen baut man das Heilige Grab auf und schmückt es mit bunten Lichtern, und zu dieser Stätte wandern die Menschen, um das Leiden des Heilands zu überdenken, zu beten und im Dämmer des Kirchleins geborgen eine Weile in sich gekehrt zu verbringen.
    Die Wiesen waren grün geworden, und die Anemonen nickten auf hohen Stengeln im Frühlingswind. In leuchtendgelben Flecken breiteten sich die Butterblumen am Bach, die Sonne brütete schon heiß an den braunen Holzwänden der Höfe von Hintereben, und die Kirschbäume zeigten den ersten Blütenreif.
    Am Vormittag saß die Barbara auf der Gredbank vor dem Haus, hatte die Hände in den Schoß gelegt und freute sich über den schönen und sonnigen Lenztag. Vor ihr lag das Tal mit den grünenden Weidenstauden am Elenderbach und den frischen Birken drüben am Hangweg, den aufblühenden Kirschbäumen um das Häusel des Hetscher und dem erwachenden Mischwald, der drüben hinaufreichte bis zum Kühberg. Dahinter baute sich blau und fern die Bergkette der Grenzberge. So schön war ihr das kleine Heimatl im Tal noch nie erschienen, und doch war in ihr etwas, das ihr die stille Freude an diesem Frühling nehmen wollte. Sie war eine andere geworden in diesen Wochen, und vieles bedrückte sie, was sie nicht zu fassen vermochte. Gerade als stände ein großes Unheil bevor oder es sitze der Totenvogel auf dem Vaterhaus, so kamen diese Tage sie an. Sie wußte, es hing mit ihrem Vater zusammen, mit dem Stein im Acker droben. Soviel sie schon nachgedacht hatte über das sonderbare Verhalten des Vaters, über das Verschwinden des Ranklhofers, über die Reden des Hauptwachtmeisters Braun, sie fand keine Lösung, wenn sie nicht den dunklen Gedanken nachgeben wollte, die ihr seit der Stunde zusetzten, da der Vater im Fieber gelegen und gesprochen hatte. Oft vermeinte sie, an ihn eine Frage richten zu müssen, und wußte nicht, wie und was sie fragen

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