Das Kreuz am Acker
sollte. Es war etwas aufgestanden zwischen ihnen. Was aber war es?
Die Ruhe um den Hof bekam fast etwas Unheimliches, und zusammenschauernd sah sich die Barbara um. In der Stube hustete der Vater. Er saß über Schreibarbeiten, die ihn als Bürgermeister angingen. Schritte im Haus verrieten, daß auch die Hauserin daheim war. Der Sepp hatte schon am frühen Morgen einen Gang in den Wald hinauf gemacht.
Sie war froh, als das Hühnervolk kam und um Futter bettelte. Das riß sie aus ihrem Sinnieren und brachte wieder Leben in den toten Tag.
Dann stand plötzlich der Braun vor ihr. Er war in Zivil, trug einen dunklen Anzug, und sein Gesicht war ernst und verschlossen. Er grüßte sie förmlich und erklärte, daß er gekommen sei, um sich offiziell vom Bürgermeister zu verabschieden.
»Geh nur hinein«, sagte sie, »er ist in der Stube.«
Er hatte sich schon den Steinstufen zugewendet, die zur Haustüre hinaufführten, als er sich wieder umdrehte und vor sie hintrat.
»Ich möcht dir noch etwas sagen, ehe ich fortgehe. Wenn du einmal einen Schutz oder einen Rat brauchst, dann weißt du ja, wo ich bin, und daß ich dir immer helfen werde.«
»Ich dank dir.« Die blauen Augen lächelten ihn offen und dankbar an.
Fast böse sah er sie an: »Du bist mir ein Rätsel, Barbara, in dir möcht ich mich einmal auskennen!« Mit einem Ruck drehte er sich um und trat in das Haus.
Müde und heiser rief der Schwaiger das »Herein«, als an die Türe geklopft wurde. Mit gefurchter Stirne und ohne ein Wort des Grußes sah er dem Eintretenden entgegen.
»Herr Bürgermeister, ich möchte mich verabschieden. Sie wissen ja, daß ich nach Ostern meinen Posten in Kirchberg antrete.«
Da erhob sich der Schwaiger, und erleichtert atmete er auf.
»So, Sie wollen sich also verabschieden? Schön von Ihnen, daß Sie noch hergekommen sind!« Er trat hinter dem Tisch hervor. Die Feindseligkeit war aus seinem Gesicht verschwunden, und gut gelaunt wies er auf einen Stuhl.
»Setzen Sie sich halt ein bissei. Na ja, es läßt sich ja überall leben, und Kirchberg ist ein größerer Posten, da kommen Sie auch besser vorwärts. Ich gönn Ihnen das und wünsch Ihnen viel Glück.«
Bedächtig setzte sich Braun. Die plötzliche Freundlichkeit des Bauern sollte ihn nicht aus seiner Reserve bringen. »Allerdings«, meinte er. »Aber trotzdem gehe ich nicht leicht von hier, und freiwillig wäre ich nicht gegangen. Wenn es aber schon sein muß. Ich hab versucht, immer meine Pflicht zu tun.«
»Freilich, freilich«, bestätigte der Bürgermeister. »Sie waren ein guter Gendarm, und man kann Ihnen nichts nachsagen. Kirchberg ist auch nicht aus der Welt, und da kommen Sie halt wieder einmal bei uns vorbei. Ich – hab nichts Direktes gegen Sie gehabt, aber – als Vater – Sie wissen schon, wie ich da denk, na ja, wie soll ich gleich sagen – ist ja jetzt nicht mehr wichtig.«
Da richtete sich Braun auf und fixierte den Alten scharf.
»Doch, Herr Bürgermeister, gerade das ist mir heute noch das wichtigste, und das möchte ich noch gerne ausgesprochen haben. Sie haben wohl gemeint, daß dieser notige Gendarm auf das große Heiratsgut Ihrer Tochter spekulierte. Ich möchte Ihnen aber sagen, daß das keineswegs der Fall gewesen ist, und ich möcht Sie bitten, das auch zu glauben. Und wenn ich in Kirchberg bin und einmal meine Wohnung eingerichtet hab – «
Überrascht stand der Schwaiger, sah den anderen an, und hinter seiner gefurchten Stirne schienen sich die Gedanken zu überschlagen. Beschwichtigend hob er die Hand und verzog den Mund zu einem verbindlichen Lächeln.
„So ist das auch wieder net, Herr Braun. Ich bin Ihnen net feind. Wenn ich ein bissei grob gewesen bin, dann kommt das davon, daß ich nur ein einfacher Bauer bin und alles so sag, wie ich es denke. Es ist eben eine ungute Zeit für mich und für den Schwaigerhof, und diese Zeit hat noch kein End. Wie es wird, weiß ich selber net.“
»Ich wollte Ihnen das nur gesagt haben, weil ich noch einmal kommen werde. Ich will nicht glauben, daß das letzte Wort schon gesprochen ist.« Braun stand auf und griff nach seinem Hut, den er auf den Tisch gelegt hatte. Die stahlgrauen Augen des Bauern flackerten unruhig.
»Bleiben Sie nur noch eine Weile da, setzen Sie sich wieder hin! Im Verdruß wollen wir doch net auseinandergehen! Ist gar kein Grund dafür da.«
Unschlüssig stand Braun und wollte noch etwas sagen, aber die Freundlichkeit des Schwaiger und dessen sichtbare Unruhe
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