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Das Kreuz der Kinder

Das Kreuz der Kinder

Titel: Das Kreuz der Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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zur adriatischen
›Serenissima‹ – litt infolge ihrer aktiven Beteiligung an
diversen Handelskriegen unter einem erheblichen
Mannschaftsbedarf für die Flotte, es fehlten der Stadt
junge Männer. So lautete der Gegenvorschlag des Dogen,
daß die Republik für jeden Burschen, der sich zum
Bleiben und zur Verehelichung in Genua bereitfinden
würde, zehn Kinder männlichen Geschlechts – und dreißig
Weiber sicher nach Akkon verschiffen würde, die
Hauptstadt des Königreichs von Jerusalem. Dem ›Legatus
Domini‹ erschien das ein annehmbarer Vorschlag, er
unterbreitete ihn dem Heiler als goldene Brücke für sein
Fortkommen, während ihm ansonsten die Tore der Stadt
verschlossen blieben. Niklas, der Angst hatte, sein Gesicht
zu verlieren – die vor den Toren der Stadt Lagernden
murrten bereits, denn auch der Zugang zum Hafen war
ihnen verwehrt –, stimmte dankbar zu, er verlangte nur
zusätzlich Verpflegung für sämtliche seiner
Schutzbefohlenen, und zwar sofort. Alles ließ sich bestens
an, die Behörden legten Listen aus, für jene Knaben, die
bereit waren, Bürger der Republik zu werden, mit allen
Rechten und Pflichten – da wälzte sich, völlig verwahrlost,
der riesige Haufen heran, den ›Armin‹ über die Alpen
geführt hatte.
    Tausende von Kindern waren umgekommen, denn auch
nachdem sie der Hölle aus Schneegestöber, Lawinen und
eisiger Kälte entkommen waren, hatten beim Marsch
durch das noch winterliche Savoyen Regenglätte,
Schlammgeröll und vor allem der Hunger den Erschöpften
hart zugesetzt. Als die Überlebenden zum ersten Mal das
Glitzern des Meeres in der Ferne wahrnahmen, hatten sie
mehr als die Hälfte ihrer Kameraden verloren: erfroren,
ertrunken, abgestürzt – viele hatten sich aus Verzweiflung
selbst den Tod gegeben.
    ›Armin‹ war in der ihr ›zugefallenen‹ Führerrolle völlig
überfordert. Sie beschränkte sich darauf, ihre engste
Umgebung durchzubringen, Randulf, den Krüppel, der
allerdings über seine Gebrechen hinauswuchs und ›Armin‹
mehr Hilfe als Last war, und Miriam, die von ihrem
unzuverlässigen Jakob längst nichts mehr wissen wollte
und der herben ›Armin‹ zur zärtlichen Begleiterin
geworden war.
    Aus dem Hinterland hervorbrechend erreichten die ersten
ungezügelten Horden das sehnsüchtig erwartete Meer bei
Genua. Die Behörden der Stadt brachen bei ihrem Anblick
auf der Stelle die Verhandlungen ab und schlugen die Tore
zu. Dem unmißverständlichen Eindruck des Elends zum
Spott, den die Zerlumpten, Abgehärmten und
Geschundenen boten, fürchteten die Einwohner eine Finte
der Deutschen, sich des unabhängigen Genuas
bemächtigen zu wollen. Sie wurden bestärkt in dieser
Einschätzung der Lage von einem soeben mit einem ihrer
Schiffe im Hafen eingetroffenen Vertreter der römischen
Kurie. Monsignore Gilbert de Rochefort, von Marseille
kommend – auf seinem Weg nach Rom –, erkannte sofort
die Chance hier ›regulierend‹ einzugreifen, dazu gehörte
zuallererst das Zustandekommen des Abkommens
zwischen Niklas und der Republik zu verhindern, hier kam
ihm ›Armins‹ unverhofftes Eintreffen zur Hilfe, zum
andern mußte er den gesamten hier versammelten Haufen
weg von Genua nach einer geeigneteren Hafenstadt in
Bewegung setzen. Das war Pisa, denn dort hatte er sich
mit dem ›Eisernen Hugo‹ und ›Guillem dem Schwein‹
verabredet, eigentlich um den zweiten Teil des Honorars
für seine Vermittlerdienste in Empfang zu nehmen. Jetzt
sah er sich unverhofft in der Lage, den tüchtigen Händlern
noch ein weiteres Geschäft der gleichen Art anzudienen.
Dazu war es notwendig, ihnen rechtzeitig Bescheid
zukommen zu lassen, damit sie sich mit genügend
Schiffsraum versahen. Marseille stellte in den Augen des
Monsignore einen einzigen Jammer dar, wenn er bedachte,
wieviel Fracht dort am Kai zurückgelassen werden mußte.
    Kaum an Land gegangen, wählte er sich aus der
Schlange der Burschen, die sich um die Einbürgerung
bewarben, mit sicherem Griff den blonden Jacov heraus
und führte ihn zur Seite. Der einzige, der das beobachtete,
war Timdal.
    Der Mohr galt aufgrund seines herrschaftlichen
Auftretens nicht als Teilnehmer jener deutschen
Kreuzfahrer, denen der Zugang zum Hafen verwehrt war.
Timdal hatte die Ankunft des Inquisitors sofort mit
wachem Auge vermerkt, kannte er den Bruder seiner
früheren Herrin Marie de Rochefort doch seit Jahren als
intriganten Agenten der Kurie, meistens in

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