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Das Kreuz der Kinder

Das Kreuz der Kinder

Titel: Das Kreuz der Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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der ›Heiler‹ in seine
Kutsche zurück und öffnete den Brief. Der Inhalt schien
ihm höchst verwirrend, gar recht gefährlich und
verschwörerisch, aber immerhin konnte er ihm entnehmen,
daß eine geheime Zusammenkunft zwischen dem
Inquisitor und jenen beiden Kaufleuten geplant war, und
zwar diesmal bei einem ›Tempel des Zeus, der stolz ins
Meer ragt‹. Der ›Heiler‹ stopfte den Brief ärgerlich unter
sein Wams, denn mit der Ortsangabe wußte er nichts
anzufangen, er sah also keinen Weg mehr, ›seinen‹
Kreuzzug noch zu erreichen. Da vernahm er draußen
Pferdegetrappel, und die Tür seiner Kutsche wurde
aufgerissen. Es waren Templer, die ihn umstellt hatten.
Der Anführer gab sich jedoch recht freundlich und wollte
nur wissen, was er hier zu suchen habe. Niklas verschwieg
den Brief, selbst auf die ausdrückliche Frage nach einer
etwa zu überbringenden Botschaft, leugnete er den Besitz
des Schreibens, sondern erzählte nur treuherzig, daß er
hier auf ein Schiff gewartet habe, das ihn mitnehmen sollte
ins Heilige Jerusalem. Der Anführer der Templer schenkte
ihm Glauben und bot Niklas an, auf einem Schiff des
Ordens sein ersehntes Ziel zu erreichen. Der nahm
dankbar an und wunderte sich auch nicht, daß auf dem
bereitliegenden Segler selbst seine Kutsche mit verladen
wurde, als die Reise erst einmal nach Palermo ging.
    Von allen unbemerkt – auch wohl, weil von niemanden
erwartet oder vermißt – war Oliver von Arlon mittlerweile
in Siziliens Hauptstadt angekommen. Es zog ihn weder
der prächtige Hof der Normannen noch der geschäftige
Hafen mit all seinen Schiffen magisch an, sondern sein
Trachten galt einzig dem hochangesehenen königlichen
Hospital mit seinen berühmten arabischen Ärzten. Bei
diesen Doctores wollte er die hohe Kunst der chirurgia erlernen. Sie nahmen den eifrigen Famulus bereitwillig
auf, behandelten ihn ob seines Talents schon bald als ihren
Schüler, den sie gern in die Regeln und Kunstgriffe ihres
Handwerks einweihten. Stolz erzählten ihm die Doctores
Soufian el-Iskanderi und Taufiq Almandini von dem
jungen Ritter aus dem Languedoc, dem sie – trotz
schwerster Kopfverletzungen – das Leben so gründlich
gerettet hatten, daß er vom Krankenlager gesprungen sei,
nur um keine Zeit zu verlieren, das Heilige Land zu
erreichen. Der Name Pol de Morency sagte Oliver rein gar
nichts, aber die Geschichte spornte seinen Wissensdurst
an, zumal sie ihm versprachen, bei der nächsten Öffnung
einer Schädeldecke – dem non plus ultra chirugischer
Kunst – dürfe er assistieren.
    Der Segler des Templerordens, der an Deck sichtbar die
Kutsche des ›Heilers‹ transportierte, näherte sich der
Hafeneinfahrt von Palermo. Den freundlichen
Ordensritter, dem Niklas die Fahrt verdankte, die ihn
näher an sein Ziel bringen würde, bekam er nicht mehr zu
Gesicht. Statt dessen trat aus der Heckkabine kurz vor der
Ankunft ein ranghoher Ritter des Deutschen Ordens – wie
immer, wenn Niklas jemanden zu Gesicht bekam, mit
heruntergelassenem Visier. Die Stimme deuchte ihn zwar
die gleiche wie die des Templers, aber er hütete sich, seine
schlaue Erkenntnis in Worte zu fassen, war er doch froh,
daß niemand ihn einer Leibesvisitation unterzogen hatte
und dabei unweigerlich den Brief entdeckt hätte, den er
immer noch unterm Wams auf der Brust mit sich
herumtrug. Die Kutsche wurde entladen, und der
Deutschordensritter führte Niklas in das große Hospiz am
Hafen, die bekannteste Bleibe für Seeleute und Pilger, von
der Eingeweihte aber auch sehr genau wußten, daß es der
Treffpunkt von Dunkelmännern aus aller Welt war, von
Spionen aus Zypern und Byzanz, Zuträgern des Sultans,
bis zu den Geheimen Diensten der Kurie, Aragons und
Frankreichs. Die Sbirren Venedigs verkehrten hier ebenso
wie die Häscher der Staufer. Der Ritter des Deutschen
Ordens stutzte daher nur kurz, als er in der Menge der
Gäste Rik van de Bovenkamp erblickte. Er übergab Niklas
den Barmherzigen Brüdern, die das Heim leiteten, und
paßte den Deutschen in einer dunklen Ecke ab, ohne sich
auch ihm zu erkennen geben.
    Er sagte nur leise: »Der Ring« und winkte Rik, ihm zu
folgen, was der nur unwillig tat. »Der Ring«, wiederholte
der Ritter des Deutschen Ordens, nachdem er sich
überzeugt hatte, daß niemand sie belauschte, »wird Euch
rechtzeitig übergeben, wenn Ihr diese Stadt wieder
verlaßt.«
    Rik gefiel diese Art über ihn zu verfügen ganz und gar
nicht, auch

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