Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kreuz der Kinder

Das Kreuz der Kinder

Titel: Das Kreuz der Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
Vom Netzwerk:

hätten sie keinen Grund gesehen, die Entscheidung, die
von beiden Parteien gesucht wird, abzuwarten, selbst
wenn sie davon gewußt hätten.
    Dem Monsignore ist die Warnung seiner Schwester tiefer
in die Knochen gefahren, als er zuzugeben bereit ist: Er
will ein letztes Mal irdischen Lohn für seine frommen
Bemühungen empfangen und dann dem anstrengenden
Leben entsagen, das er allein dem Wohlergehen der sancta
ecclesia gewidmet hat. Danken, etwa mit einem
Kardinalshut, wird sie ihm doch nicht, das spürt er. Also
kann er sich auch ohne Gewissensbisse einen
beschaulichen Lebensabend außerhalb kirchlicher Fron
vorstellen. In einem Land, wo ihn keiner kennt, sollte er
sich seiner erworbenen Güter erfreuen, am liebsten zöge er
nach Byzanz, aber auch Damaskus könnte ihn reizen!
Der Chevalier ist es leid, immer nur aus dem Untergrund
zu agieren, immer nur verteidigen zu müssen, und dabei
Schritt für Schritt zurückzuweichen: ›Libertad o muerte‹
pflegte man im ketzerischen Languedoc zu sagen, lieber in
Ehren sterben, als sich ständig verstecken müssen. Er
könnte seine Jugendliebe Marie de Rochefort ehelichen
oder sich in ein Kloster am Rand der Pyrenäen
zurückziehen. In den Gemächern, die er bislang im Palast
bewohnt hatte, versteckt Elgaine den lädierten Rik und
verarztet ihn mit kundiger Hand.
    Auf Linosa können Pol, der sich jetzt törichterweise Ali
Baba nennt, und sein Leibmohr Timdal, ihr Glück gar
nicht fassen. In den kleinen Hafen der Templer kommen
einige sarazenische Piraten gesegelt, die von einer heftigen
Seeschlacht berichten, die an der Südküste Siziliens
stattgefunden hat. Die Sklavenhändler von Iffriqia sind bei
den Templern nicht sonderlich wohl gelitten, aber solange
sie keine Schiffe des Ordens behelligen, läßt man sie
gewähren. Nur längere Zuflucht im Hafen wird ihnen
verwehrt, schon um mit den Sizilianern keinen Ärger zu
bekommen. Gerade das Flicken ihres Segeltuchs und die
Aufnahme von Trinkwasser gestattet ihnen der Komtur
des Ordens. Diese Zeitspanne reicht Timdal, um mit den
Piraten handelseinig zu werden, zumal er mit Freuden
vernimmt, daß sie von hier aus direkt nach Mahdia segeln
wollen, um dort in Ruhe ihre Wunden zu lecken.
    Im Hospital von Palermo herrscht Hochbetrieb. Die
Schwerverletzten der Schlacht von Selinunt werden
eingeliefert. Armand de Treizeguet hatte schnell begriffen,
daß die beiden Händler aus Marseille ihm entwischt
waren, und hatte die sizilianische Flotte heimgeschickt.
Um ein paar Piraten mehr zu versenken, mußte sie nicht
länger herhalten. Die meisten Mauren waren auf ihren
flinken Schiffen geflohen, als sie erkannten, daß der
›Eiserne Hugo‹ und ›Guglielmus Porcus‹ in eine Falle
getappt waren. Der Chevalier überließ diejenigen, die
schon an Land gesprungen waren und nicht mehr zurück
aufs Meer entkommen konnten, dem Seneschall.
    Oliver, der gehofft hatte, jetzt endlich an einer
komplizierten Schädeloperation mitwirken zu können,
mußte bei Beinbrüchen, zerquetschten Rippen und
abgeschlagenen Armen mit Hand anlegen. Doctor Taufiq
und sein Kollege Soufian el-Iskanderi, die gewöhnlich
stolz auf ihre Betäubungsmittel waren, die den Patienten
kaum Schmerz fühlen ließen, schnitten, bohrten und
sägten ob der Eile und der Menge an blutigen Wunden
ohne jede Anästhesie, der Patient bekam ein Stück Holz
zwischen die Zähne geschoben, in schlimmen Fällen einen
umwickelten Holzhammer auf den Kopf – Oliver wußte
nicht, wen er mehr bewundern sollte, die braunhäutigen
Männer, die olivgrün oder aschfahl in ihren
sonnengegerbten Gesichtern wurden, aber keinen Laut von
sich gaben, oder die Ärzte, die mit ihren blutgetränkten
Schürzen wie Metzger wirkten, auch wenn jeder ihrer
Handgriffe mit höchster Präzision erfolgte – kein
unnötiges Säbeln im zerfetzten Fleisch, doch blitzschnelle
Amputation, wenn keine Rettung eines Gliedes mehr in
Sicht oder der Wundbrand sich schon zeigte. Oliver
schuftete, preßte die zu behandelnden Glieder, drückte die
sich aufbäumenden Körper, nähte mit Schusterahle und
feinem Darm die klaffenden Ränder zusammen, tröstete
mit sanftem Streicheln die Bebenden und Erschöpften,
reichte die scharfen Eisen, Skalpelle und Scheren an, die
er immer wieder über offener Flamme von allen
unsauberen Säften reinigte.
    »Wollt Ihr immer noch diesen Beruf erwählen?« fragte
ihn scherzend und ohne aufzuschauen Doktor Taufiq

Weitere Kostenlose Bücher