Das Kreuz der Kinder
Almandini.
Oliver nickte grimmig. »Ihr hattet mir einen Kopf
versprochen«, mahnte er ernsthaft an, »mich aber nur mit
Schulterblättern abgespeist, einigen abgebrochenen
Pfeilen in den Weichteilen und hoffnungslos
aufgeschlitzten Bäuchen!«
Der ältere Doktor Soufian lachte, er wusch sich die
Hände, die größte Arbeit war getan. »Ihr habt Euch brav
geschlagen, medicus chirurgicus Oliverus.«
»Er hat sich eine Schädeldecke verdient«, stimmte ihm
Taufiq zu und winkte Oliver in einen Nebenraum.
Mehrere in Tücher eingewickelte Köpfe standen auf einem
langen Marmortisch, ein jeder auf einem Tablett, in dem
sich wäßrig das Blut sammelte, das aus den Tüchern
sickerte. »Nützliche materia demonstrationis « , erklärte
Doktor Soufian befriedigt, »mit den besten Empfehlungen
vom Seneschall!«
»Was wurde ihnen zur Last gelegt?« fragte Oliver weder
sonderlich teilnahmsvoll noch besonders neugierig.
»Sie gehörten zu der Bande des berüchtigten ›Eisernen
Hugo‹ und des ›Guglielmus Porcus‹!«
»Angeblich haben die beiden versucht«, mischte sich
Doktor Taufiq ein, »einen Akt des Hochverrats zu
begehen, einen Aufstand der hiesigen Sarazenen gegen
den jungen Stauferkönig anzuzetteln – ein wahnwitziges
Unterfangen, aus dem zwar nicht die Anführer, aber
etliche aus ihrem Gefolge einen Kopf kürzer hervorgingen
–.«
Er zeigte auf den vordersten. »Bereitet den schon mal
vor«, wies er Oliver an, »legt die Kopfhaut frei, schabt die
Haare ab – im Umfang etwa einer doppelten Tonsur!«
Oliver griff beherzt nach der blutgetränkten Binde, um
sie bis zum Stirnansatz abzuwickeln, doch in der
Aufregung zerrte er zu heftig, die gesamte Bandage fiel
vom Schädel – Oliver spürte den Inhalt seines Magens
würgend hochsteigen, er zitterte wie Espenlaub, während
er in das wächserne Gesicht, die aufgerissenen Augen des
›Heilers‹ starrte. Er biß die Zähne zusammen, sagte mit
trockenem Mund: »Heute doch lieber nicht mehr!« und
wankte aus dem Raum.
Armand de Treizguet spazierte barhäuptig über die Wehr
längs der Hafenmole von Palermo. Es war ihm weder
gelungen, die beiden Schacher aus Marseille ihrer
gerechten Bestrafung zuzuführen noch seinen Erzfeind,
den Monsignore, den Hauptschuldigen, zu vernichten,
doch er hatte ihn empfindlich getroffen. Auch, wenn er
sich seiner damit noch nicht entledigt hatte, fühlte sich der
Chevalier zum ersten Mal sicher in seiner Haut, zumal in
der Begleitung des korpulenten Mannes an seiner Seite.
Abdal der Hafside war kein gewöhnlicher Sklavenhändler,
auch nicht nur mächtiger Kaufherr und Großgrundbesitzer,
sondern eine politische Macht im Mittelmeer zwischen
den Säulen des Herkules und der Cyrenaika. Auch dort,
wo er keine Niederlassungen unterhielt, galt sein Wort als
Mittler und Richter. Er war in Selinunt erst eingetroffen,
als sein Freund, der Seneschall, schon tabula rasa gemacht und zum Rückzug nach Palermo blasen ließ. Von
Abdal erfuhr der Chevalier, was – wie schon von ihm
befürchtet – den Niklas den Kopf gekostet hatte. Die
beiden ›Schweine‹ aus Marseille waren dem Seneschall
entwischt, aber am Körper ihres jungen Komplizen hatte
man, gut versteckt, den Plan für den Aufstand gefunden.
Unter Schlägen verhört, habe dieser Niklas verworrenes
Zeug gestammelt, um die wahren Absichten zu verbergen,
›von Gottes Kindern, die das heilige Jerusalem aus den
Händen der Ungläubigen befreien sollten‹, »was nur
heißen kann –.«, der Meinung war Abdal auch jetzt noch,
»rebellische Sarazenen entreißen Sizilien dem Staufer!«
Der Seneschall wollte den Zeugen für das Komplott
lebend nach Palermo schaffen, aber ein Priester, der das
Heer begleitet hatte, stieß dem Knaben seinen Dolch ins
Herz, bevor die Wachen den Meuchler erschlagen
konnten. So wurde Niklas zum Beweis der Kopf
abgeschnitten, damit wenigstens der in Palermo
vorzuweisen sei, samt dem verräterischen Brief.
Der Chevalier war nur leicht erschüttert, auch wenn er
sich hätte Gewissensbisse machen können. »Mich trifft an
diesem Ende keine Schuld«, erklärte er ungefragt dem
Hafsiden, »doch werde ich für das Wohl seiner Seele eine
Kerze stiften. Letztlich geht auch diese Untat auf den
Gluthaufen, der in der Hölle auf den Monsignore Gilbert
de Rochefort wartet!«
»Seine letzte!« antwortete Abdal amüsiert über die
Verstrickungen der Christen in Schuld und Buße, Rache
und Sühne. »Der Seneschall führte
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