Das Kreuz der Kinder
Glück, daß sich Doktor Taufiq Almandini für ihn
verbürgte, so daß er die vereinbarte Summe in den
nächsten Jahren aus seinen Einkünften als Hakim
abbezahlen konnte. Elgaine wanderte in den Harem des
Doktors, der sich anfangs in sie verliebt hatte. Doch als es
sich zeigte, daß sie keine Kinder zu empfangen vermochte,
schenkte er sie schweren Herzens seinem Protege, und als
er bald darauf starb, hatte er testamentarisch bestimmt, daß
beide, Oliver wie Elgaine, gemeinsam sein beträchtliches
Erbe antreten sollten.
Rik allein auf den Sklavenmarkt zu geben, war dem
Hafsiden zu umständlich. Er überließ ihn zum
Freundschaftspreis dem ›Kabir at-Tawashi‹, dem
Obereunuchen, der in Tunis die Regierungsgeschäfte
besorgte, denn sein Herr, der Gouverneur, war zum
Rapport beim ›Miramolin‹, dem »Amir almu’minin«,
Sultan von Marrakesch bestellt worden, eine Reise ohne
Wiederkehr oder – im besten Fall – von sehr langer Dauer.
Ahmed Nasrallah, der Hüter des Harems, der in jeder
Residenz für den Sultan unterhalten wurde, fand Gefallen
an dem blonden Deutschen und befand, daß er als erstes
Arabisch lernen sollte, damit er sich besser mit ihm
unterhalten könne. Er ›lieh‹ Rik daher an die alten Brüder
Ibrahim aus. Der steinalte Mufti ließ sich den Haushalt
von seinem jüngeren Bruder Zahi führen, der auch schon
die Siebzig überschritten hatte. Die beiden konnten einen
tüchtigen Sklaven gebrauchen – und bessere Lehrer
konnte Rik gar nicht finden. Doch wurde er gar nicht erst
lange gefragt.
Bevor jetzt Rik über seinen Weg zum ›Murabbi al-Amir‹
berichten konnte, setzte die Sajidda Blanche, die es nicht
gewohnt war, ihren Willen nicht durchzusetzen, zu einem
erneuten Anlauf an: »Mich interessiert nicht der Ring, ya
Sich Rik, den Euch mein Mann durch mich
zurückerstatten ließ und dessen harmlose Inschrift wir ja
inzwischen alle kennen, sondern jener, um den es so bitter
verfeindeten Mächten ging, daß sie mit Mord und
Totschlag suchten, ihn in ihren Besitz zu bringen.«
Rik sah sich gefordert, ein klärendes Wort abzugeben,
wenngleich auch er nur die Motive der Parteien zu
erahnen vermochte, denn es ging ihm nicht besser als all
den sonstigen Interessierten: Sie kannten den
kompromittierenden Wortlaut des Textes keineswegs!
»Er sollte nicht in kirchliche Hände fallen, denn sie
hätten ihn gegen den heutigen Kaiser verwandt!«
schwafelte er darauf los. »Deswegen mußte der
gefährliche Reif aus dem abendländischen Raum
verschwinden, und das ist uns, die wir hier versammelt
sind, schließlich auch geglückt.«
Zustimmung heischend sah er sich um.
»Ihr irrt Euch gewaltig, Rik!« fuhr ihm da Elgaine in die
sorgfältig errichtete Barrikade. »Ihr habt es damals nicht
begriffen und selbst jetzt noch scheint Euch die Erkenntnis
der nackten Wahrheit zu überfordern: Den Ring trägt
Friedrich seit seinem Königsritt bis zum heutigen Tag und
– wenn es nach seinem Willen geht – auch über seinen
Tod hinaus! Der Kaiser weiß um den Sinngehalt der
Inschrift, die ihm sein Mu’allim als geistiges Vermächtnis
hinterließ. Die eingravierte Sure des Korans lautet: «
Allahu ahad,
Allahu samad.
Lam yalid
ua lam yulad
ua lam yakunu
lahukufuan ahad
Allah ist einzig,
Allah ist erhaben.
Weder zeugte er,
noch wurde er gezeugt,
und er hat
keine Nachfahren.
Nach dieser Eröffnung hatte sich Elgaine
zurückgezogen, ihr Mann drängte auf sofortige Abreise.
»Kein anderes Wort des Koran zeigt so klar und
unmißverständlich den tiefgreifenden Unterschied
zwischen islamischer und christlicher Gottesvorstellung
auf, wie diese Sure«, sprach Ali el-Hakim leise zum Emir.
»Jetzt versteht Ihr, warum ich nicht nur den ›Oliver von
Arlon‹ hinter mir gelassen habe, sondern auch alle
Gefährten aus früherer Zeit – ich habe mit ihnen nichts
mehr gemeinsam.«
Kazar Al-Mansur nickte und begleitete ihn hinaus.
Von allen anderen verabschiedete sich das Ehepaar
nicht, sondern ließ durch den Emir Grüße ausrichten.
Rik war betroffener als alle anderen, doch gab er sich
selbst – und diesmal nicht Elgaine – die Schuld an Olivers
Haltung. Sie hatten sich schon lange auseinandergelebt,
sich weder gesucht noch – eigentlich – wiedergefunden.
KAPITEL VII
ALLAHU AKBAR
Die Gespräche drehten sich nicht lange um die Bedeutung
der Inschrift des Rings, sondern vielmehr um die
geheimnisvollen, dunklen Wege, die er von Hand zu Hand
gewandert war. Sie
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