Das Kreuz der Kinder
und harmlos zu
wirken. Er ließ sogar durchscheinen, bereits in früher
Jugend seiner Manneskraft beraubt worden zu sein, so daß
es ihm bald gelang, auch Zutritt zum Frauenhaus zu
erhalten. Die Freude Melusines, ihren Mohren
wiederzusehen, war unbeschreiblich. Timdal mußte sie
darauf einschwören, ihre Gefühle nicht zu zeigen, sondern
ihn nur unter Beachtung geradezu herzloser
Vorsichtsmaßnahmen anzusprechen, als ob sie ihn nie
zuvor zu Gesicht bekommen. Von dem im Kerker
schmachtenden Pol erzählte er ihr wohlweislich nichts.
›Melou‹ hätte ihre Empörung kaum gezügelt – und das
hätte für den Gefangenen verhängnisvolle Folgen haben
können, zumindest solange der Emir fort war. Der allein
hätte genügend charakterliche Größe für einen Gnadenakt
beweisen können – der servile und ehrgeizige Moslah
gewiß nicht! So schätzte jedenfalls Timdal die Lage ein,
und er wartete, meist getrennt von ihr, zusammen mit
Melusine auf deren Niederkunft und die Heimkehr des
Kazar Al-Mansur.
»Jetzt verstehe ich, warum sich Moslah, der Baouab, so
eilig abgesetzt hat«, sagte der Emir mit einem bösen
Lächeln. »Ihm war klar, daß wir mit der Chronik an einem
Punkt angekommen waren, an dem zusehends Licht auf
seine Person und die Rolle, die er spielte, fallen würde –.«
Er hatte Rik beiseite genommen und schritt mit ihm den
Korridor auf und ab.
»Kein strahlender Sonnenschein!« pflichtete Rik
grimmig bei. »Dieser Grottenmolch wußte schon damals
das Licht des Tages zu scheuen –.«
Dahinein wurde dem Emir die unerwartete Ankunft des
Hafsiden gemeldet, selbst seine ›Sajidda‹, die ihren Kopf
neugierig aus der Tür streckte, war überrascht. Der
Hausherr machte von seinem Recht Gebrauch, den Gast
alleine zu empfangen, nur Rik durfte ihn begleiten. Der
reiche Händler, ein muskulöser Glatzkopf, zeichnete sich
keineswegs durch kostbare Kleidung oder gar Schmuck
aus, doch sein Auftreten war das eines Mannes, der sich
seiner Macht und Unabhängigkeit von den abgetretenen
Latschen bis zum mit schlichtem Goldreif beringten
Ohrläppchen voll bewußt war. Kazar Al-Mansur beeilte
sich, den angebotenen Bruderkuß zu erwidern, während
Rik ein fast komplizenhaftes Grinsen zuteil wurde. Abdal
hielt sich nicht mit Vorreden auf.
»Ich habe die Flüchtlinge an Eurer Grenze zum Emirat
von Tunis gesichtet, also dort, wo der Einflußbereich
Eures besonderen Freundes, des Obereunuchen Ahmed
Nasrallah, beginnt.«
Er ließ dem Emir keine Zeit auf den ironischen
Schlenker einzugehen. »Es bestand weder für den ›Kabir
attawashi‹ noch für meine Wenigkeit der geringste Anlaß,
Argwohn zu schöpfen oder gar einzugreifen, denn das
Schiff, das sie gerade bestiegen hatten, war durch sein
gesetztes Banner klar als Galeere des Großwesirs von
Kairo erkenntlich.«
Sein gelindes Erschrecken wußte der Emir zu verbergen,
so genoß der Hafside nur die Enttäuschung des Kazar AlMansur. »Einzig dank meiner üblen Angewohnheit, selbst
augenscheinlich abgeschlossene Vorgänge noch etwas
länger im Auge zu behalten, wurde ich gewahr, kaum daß
die Galeere sich von unserer Küste abgesetzt hatte, daß ein
Mensch von Bord ins Wasser fiel. Da die Ägypter keine
Anstalten machten, ihn herauszufischen, sondern eiligst
davonsegelten, habe ich mich des Unglücklichen
angenommen« – der Hafside weidete sich ausgiebig an der
unverhohlenen Neugier seiner Zuhörer. »Wer beschreibt
mein Erstaunen, als jene Kreatur, die eigentlich zu ElDjem die Blumen meines Gartens wässern sollte, Euer
Marius, schlotternd vor mich gebracht wurde.«
»Der Mönch hatte seine Schuldigkeit getan!«
Rik fühlte sich angesprochen. »Er hatte für seine
verräterischen Gesellen Moslah und Saifallah unser
Manuskript geraubt –.«
»Ha!« lachte der Hafside dröhnend, »das kommt davon,
daß meine Sajidda Blanche –.«, er schüttete seinen Spott
über die Betroffene, »den Gärtner zum Bibliothekar
gemacht!«
»Habt Ihr ihn –?«
Riks zaghafte Frage wurde sofort beantwortet.
»Ich habe ihn Euch mitgebracht, damit Ihr ihn verhören
könnt. Den Rücken gerb ich ihm später!«
»Ich würde es gern übernehmen«, wandte sich Rik an
den Emir, »den armen Tropf zu befragen, was die Frevler
getrieben hat – und vor allem, ob unsere wertvolle
Chronik wohlbehalten –?!«
»Das tut nur«, erteilte ihm Abdal den Auftrag, auch dem
Emir schien daran gelegen, mit dem Hafsiden allein zu
bleiben. Er ließ frischen Shai
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