Das Kreuz der Kinder
den Mohren auf, endlich mit seiner
Erzählung zu beginnen.
aus der Niederschrift von Mahdia
Durch das Bab Zawila
Bericht des Mohren
Die Reise des Pol de Morency, der sich jetzt Ali Baba
nannte und sich als reicher Händler auszugeben gedachte,
stand unter einem Stern, dem Timdal, sein schwarzer
Diener, von Anfang an nicht traute. Zwar ließ sich alles
über Erwarten gut an: Die Sarazenen, die Pols
abenteuerliche Verkleidung sofort durchschauten,
schlossen dennoch den Ali Baba ins Herz, als sie von
seiner wahnwitzigen Idee erfuhren, die Frau, die er so
abgöttisch liebte, zu befreien. Daß einer um der Liebe
willen seinen Verstand verlor, sogar bereit war, sein
junges Leben wegzuwerfen, überzeugte sie. So segelte,
flog, schwebte Pol schnell dem Ziel seiner Sehnsüchte
entgegen, denn das Horn von Iffriqia mit dem ersehnten
Mahdia lag von Linosa nur einen Steinwurf weit entfernt,
wie die beiden Reisenden bald feststellten. Die in ihren
heimatlichen Hafen heimkehrenden Piraten schlugen dem
Ali Baba vor, ihm sogar behilflich zu sein, in den Palast
des Emirs einzudringen, er solle im Hafen auf dem Schiff
warten, bis sie die günstigste Möglichkeit erkundet hätten.
Timdal witterte darin eine Falle, vor allem als er den mit
Türmen bewehrten, engen Einlaß in das Hafenbecken
erblickte, das hinter den hohen Mauern in den Felsen
geschnitten war. Doch mit Pol war nicht zu sprechen, er
war außer sich vor Freude seiner ›Melou‹, wie er sie
schwärmerisch nannte, endlich nahegekommen zu sein.
Der Mohr sollte recht behalten, wenn auch alles ganz
anders – und viel übler kam. Am Kai erwartete sie der
Moslah, der Majordomus des Emirs, umgeben mit allen
Soldaten, die Mahdia aufbringen konnte. Kazar AlMansur, der Emir, weilte gerade in Tunis, so daß der
Majordomus die Macht in Mahdia ausübte. Er benutzte sie
dazu, die heimkehrenden Piraten zu verhaften und der
Kollaboration mit dem Feind anzuklagen. Gemeint war
nicht etwa das normannische Sizilien des Staufers,
sondern der verkleidete Spion an Bord. Die Templer von
Linosa hatten ihm einen Wink zukommen lassen. Ohne
viel Federlesens befahl der Moslah, sie allesamt
aufzuknüpfen, samt dem Ali Baba und seinem Mohren.
Lediglich der Einwand des zufällig anwesenden und mit
dem Majordomus befreundeten ›Bibliothekars von ElDjem‹, des konvertierten Mönchs Marius von Beweyler,
ließ ihn beizeiten an der Zweckmäßigkeit solchen Tuns
zweifeln. Der fürsorgliche ›Vater der Bücher‹ wies
lediglich darauf hin, daß sein Herr Abdal der Hafside
einen solchen Eingriff in seinen Mannschaftsbestand
möglicherweise übelnehmen könnte. Also verwies der
Moslah die Piraten des Hafens und warf Ali Baba und
seinen Diener Timdal in den Kerker des Emirs. Da aber
der rührige Majordomus von seinem Gefangenen
wenigstens erfahren wollte, welches die Gründe seines
frechen Eindringens nach Mahdia seien, drohte er ihm die
Folter an, doch Pol schwieg. Timdal hingegen zeigte ein
geschwätziges Entgegenkommen, das jedes Verhör um
sein angestrebtes Ergebnis betrog.
Daß Melusine, für die er das alles auf sich nahm, zu
diesem Zeitpunkt bereits hochschwanger im Harem des
Palastes der Geburt eines Kindes entgegensah, kam Pol
natürlich nicht zu Ohren – und das war auch besser so.
Wie auch immer er darauf reagiert hätte, dem Moslah
wäre vielleicht doch noch in den Sinn gekommen, er sei
befugt, nach eigenem Gutdünken der Ehre seines Herrn
einen Dienst zu erweisen, der weit über die bisher
getroffene Maßnahme hinausging. So fiel der Name der
angebeteten ›Melou‹ zu keiner Zeit – und sie erfuhr nichts
von dem Gefangenen in den Verliesen, tief unter ihr.
Timdal hingegen hatte die Situation und die Lage
Melusines sehr wohl in Erfahrung gebracht. Als Moslem
hatte er rasch Zugang zum Wachpersonal des Personals
gefunden und bald auch zum Ohr des Majordomus. Der
Mohr insistierte beredt, daß der Moslah gut daran täte, die
Entscheidung über das Schicksal des eingedrungenen
Frevlers dem Emir bei dessen Heimkehr zu überlassen.
Zähneknirschend – gemildert durch ein Geldgeschenk aus
Timdals wohl verwahrter Reisekasse – fügte sich der
Majordomus. So kam der Mohr verhältnismäßig schnell
wieder frei. Timdal hütete sich, dem Moslah zu
offenbaren, daß es sich bei der Schwangeren im Harem
um seine hochverehrte Herrin Melusine handelte. Aber er
machte sich dem Moslah weiterhin nützlich, wo er nur
konnte – immer darauf achtend, naiv
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