Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kreuz der Kinder

Das Kreuz der Kinder

Titel: Das Kreuz der Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
Vom Netzwerk:
Daniel
zum Sprecher der zerstrittenen Gruppe. »Laß hören,
Mohr!« forderte er Timdal auf.
    Der ließ sich’s nicht verdrießen. »Wir sind alle auf
demselben Schiff«, begann er genüßlich. »Inmitten des
großen Meeres kommt plötzlich ein Sturm auf, der es
weitab treibt von jeder befahrenen Route, dort bricht es
auseinander.«
    Mit Vergnügen bemerkte Timdal, daß er seine Zuhörer
in den Bann zog. »Es treibt ein einziger Balken im
Wasser, der gerade ausreicht, zwei sich daran klammernde
Schiffbrüchige zu tragen, und nur dazu dient, daß sie eine
einsame, kleine Insel erreichen, wo die beiden zusammen
den Rest ihres Lebens verbringen müssen.«
    Der Mohr hatte geendet, auf das hörbare Schlucken hin,
Daniel stieß einen leisen Pfiff aus, fügte er nun
auffordernd hinzu: »Die Frage ist: Mit wem würdest du
den Balken teilen und damit die Insel –?«
    Er konnte den Satz nicht zu Ende bringen, denn eine
helle Knabenstimme rief: »Wir wollen auch mitspielen!«
Aus dem seiner Eingeweide beraubten, beim Unglück
von der Bibliothek aufgesprengten Aufzugsschrank
kletterte Karim, der an der Hand die gleichaltrige Aisha
mit sich zerrte. »Ich bin groß genug«, hob er
herausfordernd an, doch sein verstörter Murabbi
unterbrach ihn, jede Schärfe vermeidend, eher gut
zuredend:
»Seit wann steckt ihr da drin?«
Rik wies irritiert auf das verwaiste Gehäuse.
Karim war um die Auskunft nicht verlegen, zumal er mit
der freien Hand Aishas Mund verschloß. »Seit – bevor Ihr
die Sala al-Kutub betreten habt!«
Den aufkommenden Konflikt zwischen dem Trotz des
Zöglings und der Pflicht des Erziehers versuchte Daniel zu
entschärfen. »Warum sollen die Kinder nicht die rettende
Insel erreichen?« schlug er Rik vermittelnd vor. »Wo sie
nun schon mal da sind und die Regeln lauschend
mitgekriegt haben?«
»Ich bin als erster beim Balken!« rief Karim. »Denn ich
schwimme schneller, als…« – er schaute in die Runde. Da
war keiner, der sich mit ihm messen konnte, Rik nickte
ihm bestätigend zu, das allein schon erfüllte ihn mit Stolz.
Timdal sah sich durch die erwartungsvoll auf ihn
gerichteten Blicke nun als Spielführer gefordert. »Frage an
Irm?« begann er, und die ließ mit der Antwort auch nicht
auf sich warten.
»Rik!«
Sie stellte ihre Entscheidung fast hart und trocken in den
Raum, ohne den Blickkontakt mit dem Betroffenen zu
suchen.
»Jetzt ich!« bettelte Karim, und Timdal ließ ihn
gewähren. »Auch Rik!« rief er begeistert aus und strahlte
seinen Erzieher an.
»Daniel?« setzte der Mohr seine Befragung fort.
»Ich wähle dich, Timdal«, gab der Befragte preis und
setzte gleich hinzu: »Du solltest dich auch bekennen!«
Der Mohr zierte sich lange, bis er sich endlich zu dem
Geständnis: »Aisha!« durchrang. Das schüchterne
Mädchen betrachtete ihren unerwarteten Freier mit einem
Kichern, aber immerhin war der kleinwüchsige Mohr
kaum größer als sie und von gleicher Hautfarbe. Timdal
rettete sich aus seiner Verlegenheit, indem er aufmunternd
anbot: »Jetzt sag du mal, Aisha, mit wem –?«
»Mit meiner Ma’Moa!« kam die Antwort ohne Zögern.
Timdal wandte sich schnell an Rik.
Der Deutsche wiegte bedächtig den Kopf, was wohl
gründliches Nachdenken anzeigen sollte. »Wenn ich es
mir recht bedenke –.« sagte er dann, »würde ich es
vorziehen, allein zu bleiben!«
In das betroffene Schweigen hinein – Karim kämpfte mit
Tränen, denen Irm schluchzend freien Lauf ließ –
verkündete Timdal, der Folterknecht: »Es gibt noch eine
verschärfte Variante…« – die Pein der schiffbrüchig im
Wasser Treibenden, nach trügerischem Halt Suchenden,
war ihm gleich – »ein leckgeschlagenes Ruderboot, das
alle zu Rettenden fassen kann, bis auf einen – sonst geht es
unter!«
Triumphierend schaute er in die Runde.
»Ich würde Rik rausschmeißen!« verkündete der zutiefst
gekränkte Sohn des Emirs und nahm seine Spielgefährtin
an der Hand.
»Ich auch!« ließ Irm wütend den verwirrten Murabbi alAmir wissen, kaum daß die Kinder den Raum verlassen
hatten.
»Ich plädiere dafür, Timdal auszusetzen«, Daniel
versuchte einen Schlußstrich zu ziehen, »schon, weil der
Mohr uns dieses Spiel eingebrockt hat!«
»An die Arbeit!« forderte Rik, und diesmal schienen alle
gleichermaßen zuzustimmen.

aus der Niederschrift von Mahdia
Ripke die Ratte
Bericht des Daniel
    Der ›Kreuzzug der deutschen Kinder‹, wie er im
nachhinein genannt wird, marschiert in straff

Weitere Kostenlose Bücher