Das Kreuz der Kinder
Neuankömmling seinen
Gefährten vorzustellen. »Alekos war der Schankknecht in
der Taverne am Hafen von Marseille, in der sich alles
Entscheidende –.«
»So ist es«, unterbrach ihn der Emir, »doch vorerst
wollen wir dem dringenden Wunsch unseres Freundes Rik
van de Bovenkamp nachkommen, der uns seine Erlebnisse
in Rhätien nicht vorenthalten will –.«
»Ich weiß, warum!« knurrte der Vorgeführte beleidigt.
»Danach dürft Ihr urteilen, ob ich zu Recht darauf
bestand.«
Er überlegte kurz. »Gestattet mir in konzentrierter
Zusammenarbeit mit dem Secretarius, Olivers und meine
Geschichte ungestört aufzuschreiben, bevor wir uns dann
wieder Marseille zuwenden.«
»Gewiß, mein Freund, und wenn Ihr dennoch Hilfe
braucht, bei eventuell entstehenden Wissenslücken –.«,
sprach der Emir sibyllinisch, »dann laßt es mich wissen.
Auch der Islam kennt ›alaitat aliajab‹, die Macht des
Wunders…«
»Ich wüßte nicht, wie…«, murmelte Rik aufsässig, aber
der Emir hatte sich schon wieder der hinter ihm harrenden
verschleierten Schönen zugewandt. »Kommt, Eldjinn«,
forderte er sie mit leiser Stimme auf und führte sie
ehrerbietig aus dem Raum. Alle hatten die seltsame
Anrede mitbekommen, aber keiner vermochte sich einen
Reim auf sie zu machen: Eldjinn klang nach einem
geheimnisvollen Zauberwesen, hoffentlich war es kein
böser Geist!
Alekos hatte sich inzwischen von Timdal das
Schreibpult zeigen lassen, die Berge von Pergamentrollen,
die Daniel schon beschriftet hatte, und die noch größeren
Stapel von ungeglätteten, die allesamt darauf warteten,
vom Secretarius bearbeitet zu werden.
»Ich kenn’ die Fron«, wandte sich Alekos
freundschaftlich an Daniel, »hab’ ich doch die Geschichte
der Kinder von Marseille bereits für meinen Herrn
niedergeschrieben und euch mitgebracht.«
Daniel dankte es ihm mit einem gequälten Lächeln, Rik
wollte neugierig wissen, wer denn sein Herr sei, daß der
sich für das Schicksal fremder Christenkinder interessiere
– auch hätte er gern, hätten alle gern gewußt, wer denn die
geheimnisvolle Dame gewesen sei, die im Gefolge des
Emirs –? Doch Alekos grinste nur verschmitzt, legte den
Finger auf seine Lippen, und mit ungelenker Verbeugung
gegen Irm und die anderen verabschiedete er sich hurtig.
»Da somit erstmals zwei Komplexe anstehen, zu denen
ich beidemal nichts beitragen kann«, gab das Fräulein von
Styrum kund, »erlaube ich mir, die Zeit zu nutzen, um
meinen Ehegespons, den weisen und überaus geduldigen
Zahi Ibrahim, wieder in die Arme zu schließen.«
Sie schritt forsch ebenfalls auf die Tür zu.
»Wartet, werte Irm!« rief Rik. »Ich werde dafür sorgen,
daß Ihr mit angemessenem Geleit zurück nach Tunis
reisen könnt.«
Irm schüttelte energisch ihren kantigen Schädel. »Ihr
habt mich allein kommen sehen, Rik van de Bovenkamp!
Genauso werde ich Mahdia auch wieder verlassen.«
aus der Niederschrift von Mahdia
Der Königsritt
Bericht des Rik van de Bovenkamp
Die jungen Burschen von durchwegs geringem Adel reiten
derweil stracks auf die Pässe der rhätischen Alpen zu. Der
edle Oliver von Arlon und sein Gefährte Rik van de
Bovenkamp sind die einzigen, die aus dem nördlichen
Franken stammen, die anderen waren erst südlich des
Limes zum Zug gestoßen, meist alles Alemanen, somit
auch zum Herzogtum Schwaben gehörig, ein ganz anderer
Volksschlag. Die beiden Ritter aus dem lothringischen
Reichsgebiet fühlen sich von ihnen ausgeschlossen, zumal
sie mit deren Art zu scherzen wenig anfangen können.
Bei Erreichen des südlichsten Zipfels schwäbischer
Lande, schon in Sichtweite der Bischofsstadt Chur, kommt
ihnen eine Kavalkade hoher Herren entgegen, der Bischof
Walther gibt ihnen das Geleit: Schwerbewaffnete Ritter
umringen einen rotblonden Jüngling, von dem trotz der
schlichten Reisekleidung viel Majestät ausgeht. Grußlos
stieben sie an den Burschen vorbei, nur Herr Walther
nimmt sich die Zeit, nach ihrem Begehr und ›Wohin des
Weges?‹ zu fragen. Als er die wirr vorgetragene
Geschichte von den Visionen des Niklas von Köln
vernimmt, insbesonders von dem Vorhaben, das Heilige
Grab für die Christenheit zurückzuerobern, winkt der
Bischof herrisch ab.
»Das Wohl und Wehe des himmlischen Jerusalems
entscheidet sich allemal auf Erden, und zur Stund!«
predigt der fähige Statthalter Christi und der Staufer.
»Dem Auserwählten, den Ihr eben mit eigenen Augen
sehen durftet, allein ist es bestimmt,
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