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Das Kreuz der Kinder

Das Kreuz der Kinder

Titel: Das Kreuz der Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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spectaculum ereignet«, sagte er
pampig, »dann könnt Ihr Euren ›Kreuzzug der Kinder‹
abblasen – schon, weil die Bürger dieser Stadt die Geduld
verlieren –.«
Gil lächelte fein. »Mit Mariae Hilfe habt Ihr das vom
Heiland selbst gewünschte Werk bisher mit sichtbarem
Erfolg, mein Herr ›Vicarius‹, in die Tat umgesetzt! Die
Kirche wird es Euch danken, Luc de Comminges… Setzt
Euch!«
Luc blieb stehen. »Die Kirche wird mich verdammen
nicht Euch!«
Er nahm dann doch an der Tafel Platz, weil Alekos die
duftende Vorspeise auftrug – die schwarzen Muscheln
glänzten verführerisch aus dem dampfenden
Weißweinsud. »Rom wird mich ans Kreuz schlagen, wenn
ich diesen Exodus in einer Katastrophe enden lasse, gar
einem Massaker an diesen Unschuldigen –.«
»Lumpengesindel!« stellte der Inquisitor trocken richtig.
»Ungeziefer, wertlose Fresser!«
»Sagt Ihr, so lange sie noch leben –.«
Luc griff in die Schüssel und schlürfte das goldgelbe
Fleisch aus den geöffneten Schalen. »Stößt ihnen etwas
zu, werden sie zu kleinen Heiligen, zu Engelchen – und
ich finde mich in der Hölle wieder! Ein gewisser
Inquisitor wird sich dabei hervortun, den Schuldigen zu
ermitteln, zu prozessieren und zu strafen – wegen
Unterstützung von Blasphemie, Amtsanmaßung,
Fälschung und schließlich Ketzerei!«
Luc ließ sich von dieser Aufzählung keineswegs beirren,
sondern langte eifrig zu, schon um nicht zu kurz zu
kommen, denn auch der Monsignore schien mit nichts
anderem beschäftigt, als den Berg von leergeschlürften
Schalen vor sich in Windeseile anwachsen zu lassen.
»Es freut mich zu hören, wie heimisch Ihr Euch schon in
unserer heiligen Familie der Inquisitoren fühlt«, er wischte
sich den tropfenden Sud von den Lippen, »Gott wird
schon einen Weg finden«, sprach er Luc Trost zu, der den
kürzeren gezogen hatte bei der geschwinden Vertilgung,
»diese löbliche Pilgerfahrt zu einem guten Ende zu
bringen –.«
Alekos trug die Calamares auf, diesmal aber in zwei
irdenen Schalen. Liebevoll hatte er jede mit zwei rosigen
Gambas geschmückt. Gil biß kundig den Schwanz ab,
spuckte ihn aus. »Vielleicht ist Marseille nicht der
geeignete Ort und Ihr solltet die Küste entlang ziehen –?«
Genußvoll knabberte er das weiße Fleisch des
Schalentieres. »Oder Ihr seid nicht der richtige Mann, ein
solches Schifflein um alle Klippen herum zu steuern?«
Luc löffelte ungerührt seine Bohnen, die beiden Gambas
warf er wie achtlos dem Monsignore zu. »Wollt Ihr mich
ablösen?« fragte er, Gleichmütigkeit zeigend.
»Erlösen!« schmatzte der Inquisitor, Luc kaute
genüßlich auf einem kleinen Calamar.
»Haltet Ihr Euch für den Heiland, Gilbert de Rochefort?«
Mit unverhohlenem Vergnügen beobachtete der Schüler,
wie sein Lehrer sich fast verschluckte, er reichte ihm den
Krug mit Wein. »Sicher nicht!« nahm er das Gesagte
zurück. »Denn der würde jetzt und hier gesagt haben:
›Vater, es ist vollbracht…‹«
»… und seinen Geist am Kreuz aufgeben –.«
Gilbert hatte seine Fassung wieder gewonnen. »Die
Kinder hingegen leben!«
»Noch!«
Luc nahm den Fehdehandschuh auf- und ließ den
anderen kommen.
»Bewegt sie!« erregte sich der Monsignore. »Solange sie
ihre Füße spüren und ihre knurrenden Mägen, werden sie
die Hoffnung nicht aufgeben –.«
Luc betrachtete sein Gegenüber lauernd. »Wohin sollten
sie sich wenden?« stellte er die Frage, um sie gleich zu
beantworten. »Ins Languedoc, das Ketzerland?«
Gilbert erkannte die Falle. »Führt sie die Küste entlang,
nach Genua, versprecht ihnen, der Papst wolle sie segnen
– bis dahin werde ich mir eine endgültige Lösung einfallen
lassen –.«
Gilbert wähnte sich auf der Siegerstraße, aber Luc sagte
kalt: »Nein!«
Er schob sein leergelöffeltes Schälchen von sich. »Den
Heiligen Vater hineinzuziehen, würde noch mehr Schaden
für die Kirche bringen – oder wollt Ihr das?!«
»Vergreift Euch nicht im Ton, Luc de Comminges, ganz
gleich wie Ihr argumentiert – silentium!« befahl der
Inquisitor mit aller Schärfe, denn der Meister der Küche
erschien mit dem gewaltigen Eintopf. Gilbert de Rochefort
rührte ihn nicht an, lüpfte nicht einmal den eisernen
Deckel. Er wartete, bis sich Alekos – zutiefst gekränkt
wieder entfernt hatte. »Ihr vergeßt, daß Ihr mir Gehorsam
schuldet, mir und nicht Euren kindischen Vorstellungen
vom Wohl und Wehe der Kirche.«
Jetzt nahm er den Deckel ab, würziger Dampf

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